Was "veritas" bedeutet
- Das lateinische Substantiv "veritas" bedeutet "Wahrheit". Die römische Mythologie kennt diese abstrakte Vorstellung als personifizierte Gestalt: als eine Frau, als Göttin der Wahrheit. Auch in der griechischen Mythologie gibt es eine solche Göttin der Wahrheit. Sie heißt "Aletheia".
- Die Göttin der Wahrheit steht für Tugend und Gerechtigkeit. Normalerweise trägt sie weiße Kleidung. Die Farbe Weiß steht außer für Wahrheit für Unschuld, Jungfräulichkeit und vor allem Reinheit, zumindest in unserer europäisch-lateinischen Kultur. (In anderen Kulturen ist die Farbe Weiß eine Trauerfarbe.) Die "berühmten" von Blut rein gewaschenen Hände sind weiß. Aber mit dieser weiteren Bedeutung von Weiß hängt das, was Wahrheit meint, eng zusammen.
Was "aequitas" meint
- Das Wörtlein "aequitas" oder "äquitas" stammt aus dem Lateinischen, wo es "Gleichheit" bedeutet. Die alten Römer verwendeten das Wort im Sinne einer "ausgleichenden Gerechtigkeit" beziehungsweise im Sinne von "Billigkeit". Das Wort bedeutet also beides. Je nachdem, in welchem Zusammenhang es gebraucht wird, trifft entweder die Bedeutung "Gleichheit" oder die "ausgleichende Gerechtigkeit" mehr zu.
- Im römischen Recht spielte diese Gerechtigkeit eine besonders wichtige Rolle. Die Göttin der Wahrheit findet sich sogar auf Münzen der römischen Kaiserzeit geprägt.
- Auch die Gerechtigkeit wurde personifiziert als Gottheit. In unserer westlichen Kultur wird die „Gerechtigkeit“ am häufigsten als "Justitia" dargestellt und mit den Insignien Waage, Schwert und Augenbinde ausgestattet. Die Waage bedeutet: Sie gleicht aus. Das Schwert meint: Sie fällt Urteile und straft. Die Augenbinde bedeutet, dass sie ohne Ansehen des Äußeren urteilt. Ob Sie eine schwarze oder weiße Hautfarbe haben, spielt für die Göttin der Gerechtigkeit keine Rolle.
- Andere Insignien der ausgleichenden Gerechtigkeit sind die Waage, das Füllhorn sowie das Zepter.
"Wahrheit und Gleichheit" oder "veritas et äquitas"?
- Wenn Sie den lateinischen Ausdruck gebrauchen, statt von "Wahrheit und Gleichheit" zu sprechen, wird das, was Sie damit meinen, in den Ohren der meisten aufgewertet. Aber oft werden Sie auch großem Misstrauen begegnen, zu oft werden lateinische Ausdrücke von Sprachscharlatanen verwendet.
- Wenn Sie etwa statt "im Namen von Wahrheit und Gerechtigkeit" für etwas plädieren und nicht etwa lateinisch formulieren "in nominem veritas et äquitas", dann wirken Sie oft glaubwürdiger. Denn wir leben nicht mehr in Zeiten, in denen es als garantiertes Aushängeschild für eine gepflegte Kultur gilt, auch lateinische Ausdrücke zu kennen und verwenden zu können. Achtung! Haben Sie es gemerkt?! Es muss "in nomine" heißen.
- Rein stilistisch gesehen sind Paarbildungen wie "veritas et aequitas" im Deutschen oft ein Zeichen für feinsinnige und gute Sprachkultur. Das Deutsche kennt viele Paarbildungen, etwa "Hinz und Kunz", "im Großen und Ganzen", "Groß und Klein". Es liegt eine gewisse Eleganz in solchen Paarformen.
Der heutige Gebrauch
- Heutzutage wird der Ausdruck im normalen Alltag sehr selten gebraucht, zumindest im Vergleich zu anderen lateinischen Ausdrücken wie: "in vino veritas" ("im Wein liegt die Wahrheit", "in dubio pro reo" (im Zweifel für den Angeklagten) - um im Bereich des Rechts zu bleiben -, oder etwa "in expressis verbis" (explizit, rundweg) - um den Bereich des Rechts zu verlassen. Das liegt wohl auch daran, dass der Ausdruck von abstrakteren und komplexeren Dingen handelt als "Wein", "Angeklagte" oder "Wörter".
- Wenn Sie folgendes Online-Nachschlagewerk mit lateinischen Redewendungen konsultieren, werden Sie den Ausdruck "veritas et aequitas" nicht finden. Das ist ein Indiz dafür, dass er nicht sonderlich verbreitet ist. Hingegen finden Sie "aequis aequus", einen Ausspruch des Kaisers Leopold von Habsburg, der bedeutet: den Rechten recht. Ein dort ebenfalls aufgeführtes Zitat von Terenz zu einem der Wörter, die hier zur Debatte stehen, lautet: "Obsequium amicus, veritas odium parit". Übersetzt bedeutet der Spruch: "Willfährigkeit macht Freunde, die Wahrheit schafft Hass."
Veritas et äquitas bei World of Warcraft (WWF)
- In dem Onlinegame "World of Warcraft", in dem in einem Fantasiereich Kriege ausgefochten werden, gibt es eine Gilde, die "Veritas et Aequitas" heißt.
- Eine Gilde in diesem Computerspiel ist eine größere Gruppe von Spielern mit gleichen Interessen. Sie wollen einander helfen und zusammen spielen. Wer als Spieler in einer Gilde ist, hat davon Vorteile. Er kann beispielsweise an einem gildeneigenen Chat teilnehmen, eine gemeinsame Gildenbank nutzen etc. Als Spieler kann man einer Gilde beitreten oder sie selbst gründen. Es gibt zwei große Gruppen, die sich gegenüberstehen: die Tugendhaften und ihre Gegner, die als "Horde" bezeichnet werden. Die Gilde "Veritas et Aequitas" gehört zur Horde, darunter die verfluchten Verlassenen (die offenbar nach ausgleichender Gerechtigkeit streben). Als Spieler muss man eine Reihe von Aufgaben (Quests) bewältigen, wodurch sich ein Charakter entwickelt. Die Aufgaben sind vor allem das Bekämpfen von Monstern oder auch das Befreien einer Zwergenprinzessin. Man kann also als fiktiver Held für Gleichheit und Gerechtigkeit sorgen.
- Es gibt auch eine Gilde, die nur "Aequitas" heißt und am 13. September 2011 gegründet wurde. Sie hat über 50 Mitglieder. Erklärt wird dazu, dass Aequitas lateinisch ist und so viel wie Gleichheit bedeutet. Gewählt wurde der Name für die Gilde, weil sie den Anspruch hat, vollkommen zu sein und sich tatsächlich um ihre Mitglieder (Members) zu kümmern. Die Gilde nimmt Sie als neuen Spieler auf und bietet Ihnen Anleitung und Hilfe. Sie bekommen einen sogenannten Lehrmeister an die Seite gestellt. Als Neuanfänger ist man ein Scarce (= Knappe). Wenn er sich besser auskennt und der Lehrmeister das feststellt, wird er zum Main. Dann kann er sich aktiv an den sog. Raids beteiligen. Die Gilde "Veritas" hat über 100 Mitglieder, die Gilde "Veritas et Aequitas" nur 6.
Vale! (Wenn Sie gestatten, dass ich Sie diskret mit lateinischem Lebewohlgruß duze.)
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