Wie die Justitia dargestellt wird, hängt auch immer davon ab, welche Rolle dieses Symbolfigur im jeweiligen Kulturkreis besetzte.
Die Justitia in verschiedenen Kulturkreisen
- In der alten römischen Mythologie stand die Iustitia noch nicht für die Gerechtigkeit, die durch einen Herrscher ausgeübt wird, sondern für die ausgleichende Gerechtigkeit. Sie wurde also ähnlich dargestellt wie die Aequitas, die Göttin, die noch eher für die alten Römer für Gleichheit und Gleichmaß, Gelassenheit und Gleichmut stand.
- Um die Zeitenwende zur römischen Kaiserzeit hielten sich viele Fremde im Reich auf, die ihre eigenen Götter hatten. Um diese Götter in den römischen Staat einzufügen, wurde die römische Sitte der Interpretatio Romana (das bedeutet in etwa "römische Übersetzung") angewandt: Die fremden Gottheiten wurden der eigenen Religion einverleibt, indem man römische Gottheiten suchte, denen man diese Götter beigesellen konnte.
- So geschah es auch mit den griechischen Göttern, die für Gerechtigkeit zuständig waren, Dike und Themis. Und damit wurde Justitias Aufgabenkreis erweitert: Bei den Griechen verkörperte Themis die Gerechtigkeit, die unabänderbar besteht, weil sie durch die althergebrachte, göttliche Ordnung geschaffen wurde. Daneben gab es aber noch Dike, die für die strafende und rächende Gerechtigkeit "zuständig" war. Beide Bedeutungen bekam nun die Justitia der Römer des Kaiserreichs aufgeladen.
- Die strafende Gerechtigkeit der Herrscher sollte Justitia weiterhin verkörpern, diese Deutung wurde in das christliche Mittelalter und von dort in die Neuzeit übernommen.
- Damit steht die Justitia heute bei uns in Literatur, Architektur und Kunst für die strafende Gerechtigkeit, sie verkörpert das Rechtswesen in ihrer Person.
Die Symbole der Justitia und ihre Bedeutung
- Wenn es darum geht, die Symbole zu deuten, mit denen eine Justitia-Abbildung ausgestattet ist, muss also immer zuerst gefragt werden, aus welcher Zeit diese Abbildung stammt.
- In der römischen Mythologie wurde die Justitia wie die Aequitas dargestellt, ihre Symbole in diesen Darstellungen sind die Waage und mitunter auch ein Füllhorn. Die Waage bedeutete, dass Justitia jedem das Seine abwog, während sie aus dem Füllhorn ohne Ansehen der Person und ungezielt spendete, wenn es Reichtum zu verteilen gab.
- Die römische Kaiserzeit übernahm die überkommenen Darstellungen, häufig wurde auf Münzen der Kaiserzeit aber nur die Waage abgebildet. Hier war dieses Symbol der Justitia auch ein bisschen politische Propaganda, weil der Kaiser in seiner Rolle als Garant der materiellen Sicherheit betont wird. Da als sicher gelten sollte, dass der Kaiser niemanden bevorzugt, wurde der Balken der Waage immer in waagrechter Stellung gezeigt wird.
- Daneben bekommt die Justitia aber gelegentlich noch ein Diadem aufgesetzt, wie andere Gottheiten, dieses traditionelle Zeichen der Herrscherwürde sollte die Zugehörigkeit der Götter zur Sphäre der Herrscher betonen.
- Man kennt auch Darstellungen der Justitia, auf denen sie einen Ölzweig in der Hand hält, dieses allgemeine Friedenssymbol steht dann hier für die Bewahrung des Rechtsfriedens. Außerdem steht sie nicht selten auf einer Schildkröte, dadurch soll angemahnt werden, dass ein gründliches Verfahren seine Zeit braucht. Man kennt Iustitia sogar schwanger, damit soll wohl angedeutet werden, dass Gerechtigkeit auch für kommende Generationen gilt und den kommenden Generationen dient.
- Im Mittelalter und in der Neuzeit wandelten sich mit dem Sinnbild der Justitia auch ihre Darstellung und die Symbolik: Die Waage behält sie in der linken Hand, in der rechten Hand hält sie nun aber ein Richtschwert. Die Waage steht jetzt dafür, dass der Rechtsfall nach sorgfältiger Abwägung der Sachlage entschieden wird, der Waagbalken steht anfangs immer noch waagerecht. Das Richtschwert soll die notwendige Härte bei der Durchsetzung beschwören. Außerdem bekommt Justitia häufig noch eine Augenbinde aufgesetzt, die verdeutlichen soll, dass das Recht ohne Ansehen der Person gesprochen wird.
- Später wird die Waage der neuzeitlichen Justitia dann zur Seite geneigt, weil der Grundsatz "in dubio pro reo" ("im Zweifel für den Angeklagten") mitunter eine Entscheidung verlangt, bei der der Staat zurückstehen muss.
- Dass Justitia weiblich ist, ist natürlich auch ein Symbol. Es erklärt sich, weil in vielen Völkern Muttergottheiten angebetet wurden, von diesen ausgehend wurde Gerechtigkeit als natürlicher Zustand und damit als weiblich angesehen.
Die Augenbinde, die Justitia trägt, hat übrigens einen interessanten Hintergrund: Sie ist entstanden, weil die Justitia in Darstellungen um 1500 häufig mit verbundenen Augen gemalt wurde, um Spott über die Blindheit der Justiz auszudrücken. Im Laufe des 16. Jahrhunderts gelang es dann, eine gewandelte Interpretation durchzusetzen: Die Augenbinde wird zum Symbol für die Unparteilichkeit.
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