Sybille Berg - nichts für Freizeitleser
Die Schriftstellerin Sybille Berg gilt gemeinhin als unbequem. Das liegt daran, dass sie immer wieder Fragen aufwirft, die im Leben von grundsätzlicher Bedeutung sind und sich häufig nur beantworten lassen, indem man alles, bis hin zu den eigenen Prinzipien und dem eigenen Lebensstil, hinterfragt. Sie hat dabei eine klare und deutliche Sprache inne, die streckenweise an David Foster Wallace erinnert und Wahrheiten offenbart wie einen Spiegel, in dem man sich als Leser erkennt, obwohl man sich darin eigentlich gar nicht sehen will. Kein Wunder, dass der Autorin mit der Geschichte "Hauptsache weit" ein ansprechender Text gelungen ist.
Darum geht es in "Hauptsache weit"
Ein junger Mann ist mit der Schule fertig und ihn packt das Fernweh. Er reist dann nach Asien, wo er mehrere Monate bleiben und ein großes Abenteuer erleben will. Doch die fremde Kultur macht ihm Angst, die Menschen sind ihn zu aufdringlich und er findet sich schnell isoliert. Diese Isolation erscheint ihm als eine Art Tod und die Sehnsucht nach zu Hause wird immer größer. Als er schließlich auf ein Internetcafé stößt, beginnt er, mit den Menschen zu Hause zu kommunizieren, doch er lügt sie an und erzählt nur, wie toll er es im Urlaub doch findet. Das Ende ist recht offen gestaltet.
So interpretieren Sie den Text
Interpretieren können Sie "Hauptsache weit", indem Sie die wichtigsten Aspekte herausarbeiten.
- Zunächst einmal geht es um Unzufriedenheit mit dem banalen Leben. Dieses ist es, das den ehemaligen Schüler in die weite Welt hinaus treibt. Es geht um den Hass auf den Alltag, der viele Menschen bestimmt, und das "was wäre wenn?" hinter dem Gedanken, einfach auszubrechen.
- In Bergs Text findet dieser Ausbruch nun tatsächlich statt. Ein kleines Glücksgefühl überkommt den Leser, das dann aber sogleich wieder zerstört wird, denn der Ausbruch ist nicht das, was er hätte sein sollen. Vielmehr findet sich der junge Mann in Asien mit Ängsten konfrontiert, die er vorher gar nicht kannte. Die Aussage ist klar: Jeder will etwas Neues, Spannendes. Aber was, wenn neu und spannend nicht gleich gut ist? Rettung findet der Protagonist ausgerechnet dort, wo er nicht sein wollte - zu Hause.
- Nun beginnt der Zwiespalt zwischen der Tatsache, dass es dem Reisenden schlecht geht und dem unbedingten Wunsch, die anderen mögen denken, dass er gerade die Zeit seines Lebens habe. Hier kommt ein weiterer essenzieller Punkt des menschlichen Zusammenlebens zum Tragen: Jedem ist es wichtig, was die anderen denken, und sei es auch noch so unsinnig.
Wenn Sie sich auf diese Punkte - die Unzufriedenheit mit dem, was ist, die Unsicherheit im Neuen und den Wunsch, Perfektion vorzuspielen - berufen, wird Ihnen eine gute Interpretation des Textes "Hauptsache weit" gelingen.
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