Das äußere Erscheinungsbild oder das Geschlecht derjenigen Person, die sich nackt im Garten sonnt, ist jedenfalls kein entscheidendes Kriterium. Um ein Ergebnis zu begründen, ist auf einige rechtliche Grundsätze zurückzugreifen. Es lohnt sich selten, einen Nachbarschaftsstreit vom Zaun zu brechen.
FKK ist Persönlichkeitsentfaltung
Im Grundsatz darf ein Grundstückseigentümer oder ein Mieter mit und auf seinem Grundstück nach seinem Belieben verfahren (§ 903 BGB). Zugleich sind Nachbarn aufgrund ihrer natürlichen Ortsverbundenheit zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Sie dürfen ihre Herrschaftsbefugnisse also nur eingeschränkt ausüben.
- Die Grenze befindet sich dort, wo ein Nachbar mit der Ausübung seines Persönlichkeitsrechts die Persönlichkeitsrechte eines anderen verletzt. Zugleich muss jeder Nachbar gewisse "Einwirkungen" auf sein Grundstück als zumutbar akzeptieren.
- Ansatzpunkt ist § 906 BGB. Danach müssen Sie Einwirkungen von Nachbargrundstücken hinnehmen, wenn diese die Benutzung Ihres Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. Da es für FKK im privaten Bereich keine Grenz- oder Richtwerte gibt, kommt es auf die Umstände an. Sie müssen aber auch wesentliche Beeinträchtigungen hinnehmen, soweit diese ortsüblich sind und mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen nicht verhindert werden können. Diese Grundsätze sind nun auf FKK im Garten zu übertragen.
- Ob eine Beeinträchtigung wesentlich oder unwesentlich ist, beurteilen Juristen nach dem "Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers“. Allgemeingültige Aussagen sind naturgemäß nicht möglich. Jeder empfindet eine solche Situation anders. In einem reinen Wohngebiet ländlicher Prägung wird ein anderer Beurteilungsmaßstab anzulegen sein, als in einer großstädtischen Umgebung. Auch kommt es auf die Häufigkeit und Intensität, sowie den Zeitpunkt des Vorgangs an. Ansatzpunkt kann auch sein, dass Nacktbaden von der gesellschaftlichen Norm abweicht und ein "Normenbrecher" nicht sein Weltbild an das der Allgemeinheit setzen kann.
Im eigenen Garten ist jeder sein eigener Herr
- Bei der Anwendung des § 906 BGB stellen die Gerichte darauf ab, ob wenigstens ein körperliches Unbehagen hervorgerufen wird. Soweit auf dem Nachbargrundstück nur das Schamgefühl verletzende Vorgänge sichtbar werden, liegen diese Voraussetzungen im Regelfall eher nicht vor. Soweit Sie lediglich davon wissen, aber nicht direkt sehen, dass sich der Nachbar nackt sonnt, geht Sie das nichts an. Ihr persönliches Sittlichkeitsempfinden ist nicht der Maßstab der Dinge.
- Ob sich Ihr Nachbar oder Ihre Nachbarin nun nackt auf dem Grundstück oder auf dem Balkon sonnen, spielt letztlich keine Rolle. Allenfalls ist der Balkon weniger einsehbar, sodass sich die damit verbundenen Beeinträchtigungen eher eingrenzen lassen als auf einem weithin einsehbaren offenen Grundstück. Öffnet sich der Blick nach nebenan nur, wenn Sie auf den Kirschbaum in ihrem Garten klettern, ist das ebenfalls etwas anderes, als wenn weder Zaun noch Pflanzen den Blick verstellen.
- Sie können auch von den Gerichten keine einheitliche Rechtsprechung erwarten. So wies beispielsweise das Amtsgericht Merzig (Az.: 23 C 1282/04) die fristlose Kündigung eines Vermieters wegen FKK des Mieters im Garten ab. Es habe keine nachhaltige Störung des Hausfriedens vorgelegen. Ein anderes Amtsgericht mag im Einzelfall genau gegenteilig entscheiden.
Interessen der Öffentlichkeit verdrängen Persönlichkeitsrechte
- Eine eindeutige Grenze zieht jedoch § 183a StGB. Wer im eigenen Garten unter Einsichtnahme Dritter sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch ein "Ärgernis“ erregt, riskiert eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Gleiches gilt, wenn ein Mann eine andere Person durch exhibitionistiche Handlungen belästigt. Frauen erfasst die Vorschrift nicht.
- Im öffentlichen Bereich sind die Maßstäbe strenger. Wer im Englischen Garten in München nackt herumlaufen möchte, muss die seit 9.4.2014 geltende Badekleidungsverordnung beachten. Diese erlaubt das Nacktsonnenbaden nur in ausgewiesenen Bereichen. Hier überwiegt das öffentliche Interesse an einem geordneten Zusammenleben aller Parkbesucher. Dieses würde erheblich gestört, wenn Nackte und Bekleidete unmittelbar aufeinander treffen würden.
- Wenn Eltern Ihre Kinder nackt im Garten spielen lassen, wird sich erst dann Anstoß nehmen lassen, wenn sie sich ins geschlechtsreife Alter entwickeln. Die Kinder werden dann von selbst aufgrund ihres natürlichen Schamgefühls zurückhaltender sein.
So könnten Sie sich bei Nacktsein verhalten
Wie Sie die Dinge auch immer sehen. Nacktbader und Nachbarn müssen das nachbarschaftliche Gebot der Rücksichtnahme beherzigen. Der Nacktbader muss wissen, das er vielleicht das Schamgefühl anderer verletzt. Wer nicht gerade als Adonis oder Aphrodite in Erscheinung tritt, sollte eigentlich über ein gewisses Schamgefühlt verfügen. Nicht jeder scheint sich dessen bewusst zu sein.
- Als Nachbar sollten Sie die Situation nicht überbewerten. Die Situation beschränkt sich auf einen überschaubaren Zeitraum. Richten Sie Ihren Blick auf Ihr Grundstück und ignorieren Sie, was nebenan passiert.
- Fühlen Sie sich trotzdem beeinträchtigt, sollten Sie den Nachbarn ansprechen. Vielleicht könnten Sie sich auf bestimmte Nacktbadezeiten verständigen.
- Sie könnten auch einen Sichtschutzzaun aufstellen oder schnell und hoch wachsende Bäume pflanzen. Oder halten Sie sich vorwiegend in Bereichen auf, wo sich der Anblick des nackten Nachbarn nicht aufdrängt. Und irgendwann geht die Sonne unter!
Einen Nachbarrechtsstreit vom Zaun zu brechen, ist meist keine gute Idee. Sie ruinieren damit aller Voraussicht nach Ihr nachbarschaftliches Verhältnis für immer und ewig. Dann dürfen Sie erst recht kein Verständnis Ihres Nachbarn mehr erwarten. Schließlich verfolgt er seine eigene Sicht der Dinge.
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