Geschichte und Entwicklung des Begriffs
Auch wenn der Begriff heute vor allem weltliche Angelegenheiten regelt, fiel der Begriff zum ersten Mal im kirchlichen Kontext. Im Jahr 1571 wurde in der "Synode von Emden" das neue Kirchenrecht beschlossen. Im Gegensatz zum bisher klar katholisch geprägten Kirchenrecht, sollte nun jede Entscheidung auf möglichst niedriger Ebene getroffen werden. Das Subsidiaritätsprinzip war geboren.
- Im 19 Jahrhundert floss dieses Prinzip immer mehr in die Gesellschaft und die katholische Soziallehre ein. Seit der Revolution 1848/1849 mehrten sich Stimmen, die weniger staatliches Handeln und mehr Initiative des Individuums forderten. Da sich aufgrund Bismarcks "Kulturkampf" immer mehr Leute dem Katholizismus zuwandten, setzte sich die inzwischen von diesem Prinzip durchsetzte katholische Soziallehre immer weiter durch.
- Durch die Präzision des Begriffs in den 1890er Jahren durch Papst Leo XIII, änderte sich auch die Bedeutung des Begriffs. Von der ursprünglichen Verwendung für die Arbeiterklasse bezeichnete das Wort nun ein Strukturprinzip für die Organisation des Volkslebens. So entstand die Bedeutung, dessen Definition Sie heute kennen.
Definition des Prinzips der Subsidiarität
Der Begriff des Subsidiaritätsprinzips kommt vom lateinischen Wort "subsidium" und bedeutet übersetzt "Reserve" oder "Hilfe"
- Konkret bedeutet dies, dass zunächst der Einzelne oder die Kleingruppe selbst versuchen soll, ihre Probleme zu lösen. Erst wenn die Gruppe die Aufgabe der Daseinsgestaltung nicht mehr ausreichend erfüllen kann, sollen staatliche Institutionen subsidiär eingreifen. Wenn Sie zum Beispiel in einer Kommune leben, der die finanziellen Mittel fehlen, kann der Staat helfend unterstützen.
- Der Staat hat die Aufgabe, den Rahmen dafür zu schaffen, dass sich kleine Einheiten, wie zum Beispiel Gemeinden, selbstverantwortlich organisieren können. Dies betrifft sowohl die Marktwirtschaft als auch die Wohlfahrtspflege.
Unterschied von Subsidiaritäts- und Solidaritätsprinzip
Sowohl das Solidaritäts- als auch das Subsidiaritätsprinzip sind staatliche Organisationsprinzipien, die jedoch in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen.
- Wie bereits geschildert, hilft die höhere Instanz in diesem Prinzip erst dann, wenn die kleinere Einheit sich nicht selbst helfen kann. Dies bedeutet im Zweifel jedoch auch, dass Sie zum Beispiel erst dann Anspruch auf Sozialleistungen haben, wenn alle Mittel aufgebraucht sind.
- Das Solidaritätsprinzip stellt nach seiner Definition zwar auch auf die Selbstverantwortlichkeit des Einzelnen ab, ergänzt diese jedoch um eine soziale Komponente. Hiernach steht die Gemeinschaft zusätzlich für den Einzelnen ein. Ein konkreter Auswuchs dieses Prinzips sind die Sozialversicherungssysteme, von denen auch Sie profitieren.
Wichtig ist, die Verhältnismäßigkeit zwischen den Prinzipien zu wahren.
Hier greift das Subsidiaritätsprinzip heute
Die Bundesrepublik Deutschland ist komplett nach diesem Prinzip aufgebaut. Da Deutschland ein föderalistisches Land ist, handeln die einzelnen Bundesländer eigenverantwortlich. Nur wenn die Aufgabe bundesweite Bedeutung hat, erfüllt sie der Staat selbst.
- Auch auf kleinerer Ebene greift die Subsidiarität. Denn auch die Gemeinden sind für Ihre eigenen Angelegenheiten grundsätzlich selbst verantwortlich. Erst wenn sie den Aufgaben nicht mehr gewachsen sind, greift eine höhere Ebene, wie zum Beispiel der Landkreis oder der Bezirk, ein.
- Auch Europa handelt nach dem Prinzip. Die Mitgliedstaaten der EU handeln grundsätzlich autonom und eigenverantwortlich. Trotzdem gibt die EU den Rahmen vor, nach dem die Mitgliedstaaten ihr Handeln zu richten haben.
Das Subsidiaritätsprinzip hat sich als sehr effektiv und nützlich erwiesen. Es reduziert den staatlichen Einfluss immens und gibt so auch den kleinsten Ebenen die Möglichkeit zur Selbstverwaltung. Trotzdem wird so ein verbindlicher Rahmen geschaffen, der keine extremen Auswüchse zulässt. Insgesamt ist dieses Prinzip daher einer der wichtigsten Pfeiler unserer Gesellschaft.
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