Prinz Friedrich von Homburg und der romantische Traum
"Falsch" ist die Einordnung von Kleists politischem Unabhängigkeitsstatement in die Romantik nicht, denn romantische Merkmale lassen sich darin zur Genüge finden.
- Die Erzählung beginnt mit einem Tagtraum des Prinzen, in dem er nach dem Diebstahl eines Lorbeerkranzes zum Spielzeug des Kurfürsten wird und dazu gedrängt, dessen Nichte eine Liebeserklärung macht.
- Dieser Traumeinstieg ist ein typisch romantisches Moment, da dem Träumen und Halluzinieren während der Epoche ein allem enthobener Stellenwert zukam. Der Traum als Manifestation pursten Unterbewusstseins und die Nacht als Symbol für die Nachtseite menschlichen Daseins, zählten zu zwei der größten Faszinationen während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
- Gesteigert wird Kleists Manifestation des Zeitgeists noch, indem sein Prinz von Homburg als Schlafwandler eingeführt wird. Die Grenzen zwischen Realität und Traum verschwimmen auf diese Weise. Der Prinz steht an der Schwelle zum Wahnsinn und findet sich des nächsten Tages in vollständiger Verwirrung wieder.
- Die Konfrontation mit der eigenen Nachtseite führt hier zum Zustand der Verwirrung und Realitäts- sowie Verstandslosigkeit. Für den Romantiker war der Verstand dem Gefühl stets unterzuordnen. Verstandslosigkeit, Realitätslosigkeit und Verwirrtheit sind daher als typisch romantische Utopie zu sehen.
- In seiner Verwirrung macht der Prinz einen großen Fehler auf dem Schlechtfeld. Der Kurfürst gibt ihm daraufhin die Todesstrafe - sein vorausgegangener Traum stellt sich als Vorahnung heraus. Der vorausgegangene Traum beeinflusst auf der anderen Seite aber auch, dass das Geträumte eintrifft. Hätte der Prinz nicht geträumt, wäre das Geträumte nicht geschehen und wäre das Geträumte nicht geschehen, hätte der Prinz vielleicht keinen vorausdeutenden Traum gehabt. Kleist lässt Traumwelt und Realität hier je aus einander entstehen.
- Durch die Todesstrafe eingeschüchtert, entwickelt Prinz von Homburg schließlich eine unbändige Sehnsucht nach dem Leben. Auch hier lässt sich klar der romantische Zeitgeist spüren, der von der Sehnsucht als vielleicht wichtigstes Instrument des Künstlers ausgeht.
Trotz der genannten Übereinstimmungen ist Prinz von Homburg mit seinen Politikbezügen, den Handlungsverzögerungen und dem Ausgang jedoch kein typisch romantisches Werk. Bei einer Analyse sollten Sie näher darauf eingehen.
Romantik reicht nicht! - Epoche der Klassik
Schon mal von der Literaturepoche der Klassik gehört? Neuere Ansätze der Literaturwissenschaften schlagen unter bestimmten Bedingungen die Zuordnung eines Werkes zur Klassik vor.
- Von Kleists Werk als romantischem zu sprechen wird ihm nicht vollständig gerecht. Das liegt daran, dass die Bezeichnung Romantik eine Zeitspanne umfasst, in der gerade die deutsche Literatur mehrere vollkommen gegensätzliche Strömungen aufweist.
- Wenn Hoffmanns "Sandmann" typisch romantisch ist, wie kann es dann Prinz Friedrich von Homburg sein? Kritikern zufolge werden durch den Überbegriff der Romantik Gegensätze in eine Form gepresst, die ihre Eigenheiten völlig außer Acht lässt und sogar anzugleichen versucht. Der Begriff der "Klassik" - vorgeschlagen für die gesamte Goethezeit - soll hier Abhilfe schaffen.
- Für den Prinzen von Homburg hieße dass eine Epocheneinteilung zwischen Klassik und Romantik. Bei einer Analyse sollten Sie selbstverständlich auf die Entstehungszeit und die romantischen Einflüsse eingehen, aber erwähnen Sie zusätzlich die Goethezeit und die Verbundenheit von Kleists klassischem Werk zu selbiger.
Nur auf diese Weise lässt sich den Eigenheiten und verschiedenen Nuancen des Dramas gerecht werden.
Weiterlesen:
Wie hilfreich finden Sie diesen Artikel?