Personaler Erzähler - die Merkmale der Erzählperspektive
- Zunächst sollten Sie über die 3 Haupterzählformen Bescheid wissen - den auktorialen, den Ich- und den personalen Erzähler. Merken Sie sich jedoch, dass Erzählperspektiven nur selten unverändert bleiben. Die Möglichkeit des Wechsels der Perspektiven ist ein Werkzeug, dessen sich der Romanautor oft und gerne bedient.
- Anders als beim Ich-Erzähler kann der personale Erzähler scheinbar erzählerlos berichten, sodass die übermittelte Wirklichkeit nicht von einem persönlich konturierten Erzähler dargestellt wird und sich im Figurenbewusstsein spiegelt. Diese scheinbare Abwesenheit des Erzählers gilt als größter Unterschied zwischen der Ich-Erzählform und der personalen Erzählform.
- Die Hauptunterscheidung von auktorialem und personalem Erzähler macht dabei der Erzählerstandort aus dem Blickwinkel einer handelnden Figur aus. Während der auktoriale Erzähler über alles Bescheid weiß und Situationen zu kommentieren pflegt, wertet ein personaler Erzähler nicht und mischt sich nie explizit ein. Er berichtet lediglich durch die Wahrnehmung des figürlichen Platzhalters.
- Je nachdem, welche Wirkung das personale Erzählen auf den Leser haben soll, überwiegt Außensicht oder Innensicht, vermittelt durch das Showing, das Zurücktreten des Erzählers und das Hervortreten von Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen einer der Figuren. Bevorzugt finden sich im Showing szenische Darstellung, erlebte Rede und innerer Monolog.
Erlebte Rede und innerer Monolog des personalen Erzählers
- Wollen Sie eine personale Erzählsituation schaffen, sollten Sie sich zunächst überlegen, ob die Vermittlung der subjektiv-psychologischen Perspektive Sie überhaupt zum Ziel bringen kann. Letztlich führt jede personale Erzählsituation dazu, dass der Leser zur Perspektivfigur wird, dass er sich mit ihr identifiziert und durch ihre Augen sieht, dass er ihr glaubt und vertraut, weil sie seinen Hauptbezugspunkt im Roman ausmacht.
- Wollen Sie einen Mord beispielsweise durch die Augen des Mörders darstellen und den Leser dazu bringen, sich mit dem Mörder zu identifizieren, um einen Schockeffekt zu erzielen? Oder wollen Sie den Leser dazu bringen, genau nachvollziehen zu können, warum die Morde geschehen sind?
- Letztlich gibt es hunderte Gründe, aus denen man die personale Erzählsituation wählt. So erlaubt die Multiperspektive auch den Wechsel von einer Perspektivfigur zur nächsten. Dabei ist es möglich, einen einzigen Sachverhalt durch die Wahrnehmung dutzender Figuren zu schildern, welche verschiedene, sich überscheidende Blickwinkel auf eine Situation haben, sodass sich ihre Wahrnehmung am Ende zu einem Gesamtereignis zusammensetzt.
- Auch mehrere Seiten auf beispielsweise einen Mord sind möglich und laden den Leser ein, Lügen zu enttarnen. Sobald er mehrere Perspektiven kennenlernt und mit mehreren Figuren sympathisiert, weil ihn mit allen ein personales Verhältnis verbindet, ist der Rätseleffekt größer - genauso auch der Schockeffekt, wenn sich herausstellt, dass eine der betreffenden Figuren den Mord begangen hat.
- Wichtig ist auf handwerklicher Seite, dass Sie die Wahrnehmung aller Perspektivfiguren immer auf das Hier und Jetzt beschränken. Zudem sollte die innere Handlung von Perspektivfiguren Gewichtung finden, während die weiteren Figuren für den Moment von außen beschrieben werden. Die Beschreibung zweier Perspektivfiguren zur selben Zeit kann durch den personalen Erzähler nicht realisiert werden, dafür ist ein auktorialer Erzähler zuständig.
- Zudem ist es durch personales Erzählen möglich, die Blickpunktfigur nur als Wahrnehmungsmedium zu nutzen und so eine neutrale Erzählsituation zu schaffen, in der die direkte Redewiedergabe der Figuren ohne Einmischung des Erzählers und ohne Vermittlung von Gefühlen oder Gedanken geschieht. Hier wird der äußere Umstand aus der Sicht der Perspektivfigur realistisch vermittelt und Dialoge werden in direkter Rede direkt aneinander angeschlossen.
- Als eine der beliebtesten Formen personaler Erzählsituationen gilt die erlebte Rede. Hierzu stellen Sie in der 3. Person Singular im Indikativ Präteritum das Innenleben Ihrer Perspektivfigur dar und lassen den Erzähler direkt in die Figur schlüpfen, während er trotzdem als Erzähler spürbar bleibt. Dabei kommt es zu einer Überlappung von Erzähltext und Figurentext, der Inferenz, und der Leser springt zwischen Figur und Erzähler.
- Eine noch extremere Form des personalen Erzählens ist der Innere Monolog, bei der Sie die Erzählinstanz in der 1. oder 2. Person Indikativ Präsens vollkommen ausblenden und ohne Anführungszeichen nur aus der Sicht und in der Gedankenrede der ausgewählten Figur sprechen.
Sie sehen also- an Handwerkszeug gibt es einiges zu erlernen. Und wollen Sie tatsächlich einen Roman schreiben, sollte Ihnen das Wissen über Erzählsituation bereits ins Blut übergegangen sein. Zudem spielt es am Ende wohl eine Rolle, ob Ihr Herz das eines Schriftstellers ist. Denn tatsächliches Schreibtalent und wirkliche Begabung und Leidenschaft sind gottgegebene Geschenke, die man auch durch noch so viel Wissen nicht ersetzen kann.
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