Gerichtsurteile sind in ihrer schriftlichen Form im Regelfall nicht der Allgemeinheit zugänglich. Selbst Zeugen in einem Verfahren haben keinerlei Rechte um Gerichtsurteile einsehen zu können. Ganz anders sieht es allerdings aus, wenn Sie selbst betroffen sind.
Wann Sie Gerichtsurteile einsehen dürfen
- Um ein Gerichtsurteil einzusehen, müssen Sie ein "berechtigtes Interesse" an den Informationen haben, die sich aus dem Urteil ergeben. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Sie Tatopfer in einem Strafprozess sind - um zivilrechtliche Ansprüche geltend zu machen oder einfach nur um zu wissen, dass der Täter auch wirklich bestraft wurde.
- Auch in Verwaltungsverfahren können sich aus Gerichtsurteilen häufig auch für Personen Konsequenzen ergeben, obwohl sie nicht Prozessbeteiligte waren. Aus diesem Grunde können Sie möglicherweise einen Rechtsanspruch darauf haben, ein Urteil einzusehen, obwohl nicht mal Ihr Name in dem Verfahren auftaucht.
- Damit Sie Gerichtsurteile einsehen können, ist kein Anwalt erforderlich. Es finden sich in den betreffenden Gesetzen auch immer Möglichkeiten, dass Sie selbst ohne Anwalt Abschriften aus Prozessakten bekommen - wozu am Ende auch das Urteil gehört. Dies betrifft Strafverfahren, Zivilverfahren, Verwaltungsverfahren, Familiengerichtsverfahren etc.
- Wenn Sie lediglich Zeuge in einem Verfahren waren, berechtigt Sie die Eigenschaft als Zeuge zunächst nicht, ein Urteil einzusehen.
So fordern Sie eine Urteilsausfertigung an
- Eine Urteilsausfertigung sollten Sie immer schriftlich anfordern, da manchmal erst einmal innerhalb des Gerichts geklärt werden muss, ob Sie einen Anspruch darauf haben, ein Urteil einzusehen.
- Bringen Sie zuerst in Erfahrung, bei welchem Gericht in dem Verfahren tatsächlich ein Urteil rechtskräftig geworden ist. Manchmal gibt es mehrere Urteile in einem Verfahren. Dann zählt nur das letzte Urteil.
- Rufen Sie bei dem Gericht an. Erklären Sie, dass Sie eine schriftliche Anfrage verfassen und bitten Sie um das Aktenzeichen des Urteils. Erfragen Sie außerdem, ob Sie sogenannte "Kostenmarken" an das Gericht schicken müssen, um eine Urteilsausfertigung zu bekommen. Kostenmarken können Sie beim Amtsgericht Ihres Wohnortes kaufen.
- Schreiben Sie einen Brief an das Gericht. Schreiben Sie auf den Brief das Aktenzeichen des Urteils. Schildern Sie in dem Brief, warum Sie ein Interesse an einer Urteilsausfertigung haben und bitten Sie um Übersendung des Urteils.
- Sie brauchen in Ihrem Schreiben nicht angeben, auf welcher Rechtsgrundlage Sie Anspruch auf eine Urteilsausfertigung haben. Dies kann das Gericht alleine beurteilen.
Es gibt weitere Möglichkeiten, von Gerichtsurteilen zu erfahren
- Gerichtsverhandlungen sind in vielen Fällen öffentlich. Gehen Sie zu der Verhandlung und schauen Sie zu. Dann erfahren Sie das Urteil gleich vor Ort.
- Wenn Sie als Zeuge geladen sind, können Sie bei Erwachsenen nach Ihrer Zeugenvernehmung im Gerichtssaal bleiben.
- Wenn Sie nicht oder erst später zu einer Verhandlung gehen können, dann können Sie auch Bekannte bitten, für Sie dort zuzuhören. Denn in Strafverfahren werden die persönlichen und finanziellen Verhältnisse des Angeklagten immer am Anfang erörtert. Wegen späterer zivilrechtlicher Forderungen kann es wichtig sein, darüber Bescheid zu wissen, um die Erfolgsaussichten einer Klage abschätzen zu können.
- Wenn das Urteil von größerer Wichtigkeit ist, kann es sein, dass es in Urteilsdatenbanken oder sogar anonymisiert im Internet veröffentlicht wird und Sie es auf diesem Wege einsehen können. Wenn Ihnen der Tag des Urteils und das Gericht bekannt sind, kann es sinnvoll sein, danach zu suchen.
- Wenn Sie Menschen kennen, die berechtigt wären, das Urteil einzusehen, können Sie diese auch darum bitten, an Ihrer Stelle eine Urteilsausfertigung anzufordern.
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