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Das Kamasutra – unter die Lupe genommen

Das Kamasutra - ein Buch auch über die soziale Seite von Beziehungen!
Das Kamasutra - ein Buch auch über die soziale Seite von Beziehungen! © Mariocopa / Pixelio
Das Kamasutra gehört immer noch zu den von vielen Sagen umwobenen Büchern. Tatsächlich ist dieses Werk sehr viel mehr als ein Bilderband darüber, welche Verdrehungen Menschen bei einer körperlichen Vereinigung auszuführen in der Lage sind.

Solche Akrobatik hat den Verfasser dieses bedeutenden Textes zwar auch interessiert, aber eher am Rande.

Wie das Kamasutra einzuordnen ist

  • Das Kamasutra ist ein bedeutendes Werk, das heute als eines der wichtigsten Texte der Weltkulturgeschichte eingeordnet wird.
  • Der Ausdruck “Kamasutra” stammt aus dem Sanskrit, der Gelehrtensprache des alten Indien, übersetzt heißt der Titel “Verse des Verlangens“.
  • Das Werk ist höchstwahrscheinlich im zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung entstanden. Als Autor ist ein Inder namens Vatsyayana bekannt, weil der gesamte Titel des Buches “Vatsyayana Kamasutra” lautet, es handelt sich um einen indischen Philosophen.
  • Das Kama-Sutra gehört zu den Lehrtexten, die aus der indischen Tradition über Politik (Arthashastra), Wissenschaft (Jyotihshastra), Architektur (Vastushastra), Medizin (Vaidyakashastra), Ethik und Moral (Dharmashastra) und einigen weiteren Lehrgebieten bekannt sind.
  • Zu diesen weiteren Lehrgebieten gehört auch das Kamashastra, die Lehre von der Erotik. Der Begriff “Kama” steht im Sanskrit ganz allgemein für Wunsch oder Verlangen oder auch die Absicht, ein Liebesgefühl der Verbundenheit (auch durch sexuelle Liebe) zu erreichen. Das Wort verweist auf Kama, den Gott der Liebe im Hinduismus. Der zweite Wortteil, das “Shastra”, bedeutet nichts weiter als Lehre oder Anweisung oder Lehrschrift.
  • Bei dem hier betrachteten Werk wurde es aber durch das Wort “Sutra” ersetzt, und auch das hat natürlich einen Sinn. Das Wort Sutra (Faden, Kette) steht dafür, dass der ursprüngliche Lehrtext in eine Versform gebracht wurde. Diese Form wurde gewählt, wenn die in einem Text enthaltenen Informationen mit möglichst wenig Interpretationsraum weitergegeben werden sollten. Denn längeren Abschriften des Volltextes misstraute man damals, weil bei diesen sehr häufig Ungenauigkeiten bei der Weitergabe zu beobachten waren, während Verse in der gegebenen Form sogar mündlich weitergegeben werden konnten.
  • Ein Kama-Sutra ist also dazu gedacht, den indischen Bürgern Anleitungen an die Hand zu geben, wie sie in ihren sexuellen Beziehungen sexuelles Vergnügen und Erfüllung erreichen.

Das Kamasutra ist viel mehr als ein Erotiklehrbuch

  • Also doch schlichtweg ein Erotiklehrbuch? Darauf wird dieses Werk in der westlichen Welt gerne reduziert, seit der englische Forscher und Übersetzer Richard Francis Burton 1884 die erste englische Fassung erstellte.
  • Je weniger ein westlicher Verleger an den tatsächlichen Aussagen und dem fremden Kulturkreis interessiert war, desto eher präsentierte sich ein Abdruck in der Folgezeit als “schlüpfriges Handbuch”. In dem auch häufig wesentlich mehr Wert auf eine bildhafte Abbildung aller möglichen Sexualpraktiken gelegt wurde als auf eine korrekte und vollständige Übersetzung der Sanskrit-Verse, wenn der Verleger strikt nach dem Motto “Sex sells” (Sex verkauft) vorging, waren dann mehr erotische Bilder als Text enthalten.
  • Das war beim ursprünglichen Kamasutra nicht so, mit “Sex sells” hatte sein Autor nichts zu tun. Er ging auch von ganz anderen Voraussetzungen aus, die im indischen Hinduismus ihre Grundlagen haben.
  • In dieser Weltanschauung haben Seelenheil, Religion und irdischer Besitz einen gleich wichtigen Stellenwert, und keines dieser Elemente darf vernachlässigt werden. Zum Seelenheil gehört auch die Erotik, wenn der Einzelne in diesem Bereich nicht zufrieden ist, führt das dazu, dass die gesamte menschliche Gesellschaft in ein Ungleichgewicht gerät.
  • Zur erfolgreichen und befriedigenden Ausübung einer Fähigkeit oder Tätigkeit gehört eine Ausbildung, die umfassendes Wissen in eben dieser Fähigkeit oder Tätigkeit vermittelt, und genau diese will das Kamasutra geben.
  • Dazu wird der Bereich der Erotik im ursprünglichen Text umfassend behandelt. Es geht um verschiedenste Sexualpraktiken und deren Ausübung, beiden Geschlechtern wird aber auch die Kunst der Verführung und Erregung durch Gesten und Berührungen usw. nahegebracht. Medizinische Behandlungen und wünschenswerte Gestaltungen des Schlafzimmers werden behandelt, und vor allem geht das Kamasutra auch auf alle sozialen Fragen ein, die sich im Zusammenhang mit der Liebe ergeben, ob in einer Beziehung oder im Eheleben.

Das Kamasutra wird von unserer Wissenschaft in alle möglichen Richtungen interpretiert. So sind Interpretationen bekannt, die im Kamasutra ein Aufbegehren gegen den Staat sehen. Mitunter wird sogar angenommen, dass ein Lehrbuch mit erotischen Inhalten im damaligen Indien nur von Oppositionellen habe verfasst werden können, das Kamasutra also überhaupt nicht zu den traditionellen indischen Lehrtexten gehöre. Weitere Interpreten finden nicht nur erotische Belehrung, sondern sehen in ihm ein Werk, das jedem Unternehmensführer wichtige Lehren im Bereich Managementkultur und Ethik von Führungskräften an die Hand gibt, das Kamasutra im Bücherschrank Ihres Chefs sollte Sie also nicht überraschen.

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