Wenn jemand dazu neigt, sich schnell aufzuregen und dabei vielleicht auch laut zu werden, dann wird er oftmals als Choleriker bezeichnet. Die Betroffenen werden von ihrem Umfeld als jähzornig erlebt, sie neigen zu Wutanfällen und haben dabei Schwierigkeiten, sich zu kontrollieren. Der Persönlichkeitsforscher Hans Jürgen Eysenck ging davon aus, dass cholerische Menschen extrovertiert sind, also gern auf andere zugehen und wenig Hemmungen vor anderen Menschen haben, aber gleichzeitig auch emotional instabil sind, also Probleme haben, negative Gefühle angemessen zu verarbeiten. Dieses Verhalten kann im Alltag leicht zu Schwierigkeiten führen, denn schließlich ist es für Ihr Umfeld unangenehm und manchmal vielleicht sogar erschreckend, wenn sie mit viel Wut reagieren und dabei gewissermaßen "ausrasten".
Die Therapie mit dem ACT-Konzept
Bei der therapeutischen Begleitung von Cholerikern gibt es unterschiedliche Ansätze und Vorgehensweisen. Ein Modell, das hier angewendet werden kann, ist die Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT). "Commitment" bedeutet übersetzt "Verpflichtung" oder "Mitarbeit" und drückt aus, dass man sich auch seinen eigenen Gefühlen gegenüber nicht verschließen sollte, diese also nicht unterdrücken sollte, sondern es eher darum geht, die Gefühle zu akzeptieren, sie aber gleichzeitig anders "auszuleben".
- Viele jähzornige Menschen verhalten sich deswegen so, weil ihnen etwas fehlt; weil sie gewisse Wünsche haben, die nicht erfüllt worden sind oder sie sich eigentlich anderen unterlegen fühlen. Tatsächlich fühlt sich der Betroffene also ohnmächtig und kann nur dann Kontrolle über eine Situation erlangen, indem er andere einschüchtert.
- Ursache ist also eine unangenehme Empfindung (zum Beispiel Hilflosigkeit, Unterlegenheit) und der Versuch, genau dieses Empfinden auszugleichen, indem der Betroffene übertrieben laut und heftig reagiert.
- Akzeptanz bedeutet dann, diese negativen Empfindungen bewusst zu erleben und sich auch innerlich von diesen zu distanzieren, so als würde man sich selbst aus einem gewissen Abstand heraus beobachten (zum Beispiel "Ich fühle mich gerade enttäuscht, weil XY passiert ist"), aber daraus keine Handlungsabsicht entstehen zu lassen (zum Beispiel die Enttäuschung einfach innerlich für sich festzustellen, nicht etwas zu tun, um das Gefühl zu beseitigen).
- Das ist etwa so, als würden Sie feststellen, dass Sie frieren, und dennoch nicht gleich versuchen, etwas dagegen zu unternehmen, sondern das Gefühl des Frierens zumindest eine gewisse Zeit akzeptieren. Der Vorteil dieses Akzeptanzgedankens besteht darin, dass Sie nicht sofort irgendwie gegensteuern und dabei vielleicht etwas tun, was Ihnen und anderen schadet, sondern dass Sie Ihr Verhalten besser planen können.
- Alternativ kann es aber passieren, dass der Zustand des Frierens wieder vorbeigeht, ohne dass Sie etwas unternehmen, etwa weil das Wetter sich bessert. Genauso ist es mit Emotionen - diese gehen auch wieder vorbei, sind damit temporär und müssen daher nicht unbedingt "bekämpft" werden.
- Als Choleriker können Sie etwa in einer Situation, in der Sie sich enttäuscht oder hilflos fühlen, darauf achten, nicht gleich zu reagieren, sondern die negative Emotion wahrzunehmen und darauf zu warten, dass diese sich verändert, ohne dass Sie etwas tun (zum Beispiel: Nach wie vielen Minuten wird das Gefühl der Enttäuschung schon etwas schwächer?).
- Weiterhin geht es in der Therapie darum, eigene Werte zu klären, also zu ergründen, was für Sie im Leben wichtig ist und was Sie gern umsetzen möchten. Ein Wert kann etwa Gerechtigkeit sein und diesen Begriff können Sie auch einfacher mit "sich Menschen fair gegenüber verhalten" übersetzen.
- Dann überlegen Sie, wie ein wirklich faires Verhalten konkret aussehen könnte und in welcher Situation welches Handeln wirklich fair wäre. Hier geht es um das Commitment, also die Selbstverpflichtung, sich entsprechend der eigenen Ziele zu verhalten.
Das ist gar nicht so leicht, denn schließlich war es in der Vergangenheit eher so, dass Sie automatisch auf bestimmte Dinge mit Wut reagiert haben. Dies dann zu entkoppelt, vielleicht das Gefühl innerlich zu beobachten, ohne darauf zu reagieren und dann ganz bewusst ein Verhalten zu zeigen, dass rational gesehen den eigenen Zielen entspricht, auch wenn gerade der Impuls da ist, etwas ganz anderes zu zu (zum Beispiel jemanden anzuschreien), ist schwer. Aber probieren Sie es ruhig einmal aus, mit der Zeit kann die innere Selbstbeobachtung besser gelingen.
Ein Choleriker kann unter ADHS leiden
Bei ADHS, also dem Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätssyndrom, denken Sie vielleicht zuerst an Kinder, die nicht still sitzen können, ständig unkonzentriert sind und sich nicht richtig im Griff haben. Nicht immer "verwächst" sich die Problematik, das heißt, es kann passieren, dass die Symptome nach der Pubertät bestehen bleiben und dass aus einem hyperaktiven Kind auch ein Erwachsener wird, der weiterhin ganz ähnliche Probleme hat. Genau das kann einige Choleriker betreffen, sodass die Impulsivität, die Sie erleben, mit der Aufmerksamkeitsstörung zusammenhängt.
- Dies kann insbesondere auf Sie zu treffen, wenn Sie sich oftmals ruhelos fühlen, viele Aufgaben beginnen, ohne diese auch erfolgreich zu beenden und Sie nicht fähig sind, auch einmal das Fehlen einer konkreten Beschäftigungsmöglichkeit (Langeweile) zu ertragen.
- Die Störung können Sie gezielt angehen und behandeln lassen. Dabei können Choleriker einerseits eine medikamentöse Behandlung wählen, wie Sie auch bei Kindern mit ADHS verabreicht wird oder eine Verhaltenstherapie nutzen, die ebenfalls hilfreich ist.
- Verhaltenstherapien werden ambulant (niedergelassener Psychotherapeut) oder stationär (Kliniken) angeboten und beinhalten etwa ein Selbstinstruktionstraining, bei dem Sie lernen, sich in kritischen Situationen selbst hilfreiche Anweisungen zu geben.
- Das kann etwa so aussehen, dass Sie sich erst einmal fragen, wie Sie in einer Situation reagieren sollten, und dieses Ziel klar für sich formulieren (zum Beispiel "Ich sollte ruhig zuhören."). Dann können Sie das Ziel in Teilziele untergliedern, die konkrete Handlungen darstellen (zum Beispiel "Ich sage dann, dass ich über den Vorschlag nachdenken werde.").
- Wenn Sie die Situation bewältigt haben - etwa einen Vorschlag, der Sie wütend macht, dennoch erst einmal mit "Ich denke darüber nach" beantworten, anstatt den anderen anzuschreiben - können Sie stolz auf sich sein und sich dafür innerlich loben (zum Beispiel "Das habe ich gut hinbekommen.").
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