Wilhelm Tell - ein Drama der Weimarer Klassik
"Wilhelm Tell" ist das letzte Drama, das Friedrich Schiller vor seinem Tod vollendete. Er schrieb es 1804 und ließ es im selben Jahr im Weimarer Hoftheater uraufführen.
Schiller verarbeitet in "Wilhelm Tell" das Schweizer Nationalepos um den Helden Wilhelm Tell und den historischen Rütlischwur. Mit diesem begründeten die Schweizer Bürger den Bund der Eidgenossen.
Das Drama gehört in die literaturwissenschaftliche Epoche der Weimarer Klassik. Schiller war neben Goethe einer der Hauptvertreter dieser Periode. Ein wichtiges Merkmal der Weimarer Klassik war das Streben nach dem Ausgleich der Mächte. Es ging um Humanität und Harmonie in der Gesellschaft anstatt Egoismus und Tyrannei.
Kurze Zusammenfassung der Handlung
Schiller beschreibt in seinem Drama drei Handlungsstränge. Kernhandlung ist die um den späteren Volkshelden Wilhelm Tell. Nebenbei kommt es zur Formierung des eidgenössischen Bundes. Zweite Nebenhandlung ist die Liebesgeschichte zwischen dem Habsburger Ulrich von Rudenz und dem Ritterfräulein Berta aufseiten der Eidgenossen.
Zu Beginn rettet Tell Konrad Baumgarten vor den Häschern des Burgvogts, den dieser erschlug, um seine Frau vor einer Vergewaltigung zu bewahren. Währenddessen befindet sich die Schweiz, der Handlungsort des Dramas, in einem Zustand der Tyrannei. Besonders der skrupellose Landvogt Gessler sorgt für Angst und Schrecken.
So kommt es auf dem Rütli zum Schwur der gebeutelten Landbevölkerung. Der eidgenössische Bund entsteht, an dem Tell allerdings nicht teilnimmt. Der Habsburger Ulrich von Rudenz ist zunächst noch von der Herrschaft der Habsburger überzeugt. Das Ritterfräulein Berta von Bruneck kann ihn schon bald für die Sache der Eidgenossen gewinnen.
Tell bricht tags darauf mit seinem Sohn nach Altdorf auf, das von einer habsburgischen Zwingburg aus unterdrückt wird. Zuvor verfügte Gessler, dass sein Hut, den er auf einer Stange aufstellen ließ, wie er persönlich zu behandeln sei. Dazu gehört ein standesgemäßer Gruß beim Passieren des Hutes. Da Tell den Hut beim Vorbeireiten nicht grüßt, nimmt Gessler ihn kurzerhand fest.
Gessler zwingt ihn, einen Apfel vom Kopf seines Kindes zu schießen. Dies gelingt Wilhelm Tell glücklicherweise. Einen zweiten Pfeil hält er für Gessler bereit, falls er seinen Sohn mit dem Schuss getötet hätte. Als dieser davon erfährt, lässt er Tell trotz seines vorherigen Versprechens einkerkern.
Später kann Tell entkommen und Gessler töten. Zudem formiert sich der eidgenössische Bund gegen die Habsburgische Gewaltherrschaft. So kommt es zur Zerstörung der Zwingburg in Altdorf. Ulrich errettet die inzwischen gefangen genommene Berta aus ihrem Kerkerverlies.
Die Eidgenossen feiern Tell als Tyrannenmörder, Berta und Ulrich finden zusammen. Daraufhin versöhnt der Habsburger sich mit den Eidgenossen und tritt ihnen bei.
Die Interpretation des "Wilhelm Tell"
Schiller hat sich nicht nur mit einem Nationalepos auseinandergesetzt. Er hat seine Figuren bewusst gewählt und charakterisiert. Auf der einen Seite steht der brutale Gessler, der Tell zwingt, auf sein eigenes Kind zu schießen. Eine Bittstellerin will er über den Haufen reiten.
Ihm gegenüber steht Tell. Er repariert sein Haus selbst und macht sich stark für die Schwachen. Die Sorge um sein Kind bringt ihn dazu, Gessler, den er verachtet, zu töten. Doch am Ende möchte er nicht als Held dastehen. Ihm ging es um die Notwehr eines liebenden Vaters.
Schiller charakterisiert Tell auch durch seine Sprache. Zu Beginn des Theaterstücks ist diese knapp und erinnert an volkstümliche Sprichworte.
Der Wechsel dieser Sprechweise in seinem späteren Monolog hin zu mehr Lebendigkeit weist auf Tells persönliche Veränderung hin. Er hat verstanden, dass Gewalt nur Gegengewalt erzeugt und Unschuldige in Gefahr bringt. Seine Armbrust legt er daraufhin für immer nieder.
Große Bedeutung misst Schiller der Rolle der Frau bei. Berta kann Ulrich für ihre Ideale gewinnen. Die Schweizer Frauen bringen ihre Männer dazu, den eidgenössischen Bund zu gründen. Die ärmliche Armgard stellt sich dem Tyrannen Gessler in den Weg, um für die Freilassung ihres Mannes zu bitten. Hier kreiert Schiller ein starkes unabhängiges Frauenbild, das nicht typisch für das 19. Jahrhundert ist.
Der Rütlischwur und die Entstehung des eidgenössischen Bundes geben nicht nur ein historisches Ereignis wieder. Sie stehen für den Widerstand gegen eine tyrannische Übermacht, ein Kerngedanke der Weimarer Klassik.
Die Gleichsetzung der Auflehnung der schweizerischen Bürger gegen die herrschende Obrigkeit mit der Französischen Revolution ginge zu weit. Hier geht es um allgemeine Themen: Solidarität unter Gleichgesinnten und die Überwindung des Bösen durch Zusammenhalt und Mut.
Die Rezeption des Tell-Schauspiels
Noch heute gehört "Wilhelm Tell" zum Lernstoff in deutschen Gymnasien für die 8. bis 10. Klasse. Das Drama gehört entweder zum Lesestoff oder eine Zusammenfassung zeigt das pädagogische Konzept dahinter auf. Denn Zusammenhalt, Mut und der Einsatz für Schwächere sind es noch heute wert, diese Eigenschaften an Jugendliche zu vermitteln.
Im "Dritten Reich" wurde dem Drama eine zweifelhafte Ehre zuteil. Hitler ließ es häufig aufführen und versuchte den Stoff für seine Propaganda zu nutzen. Tell sollte dabei den idealen Führertypus verkörpern.
Doch der Versuch der Instrumentalisierung schlug fehl. Das deutsche Publikum erkannte schnell, dass es Schiller in seinem Drama auch um die Rechtfertigung eines Tyrannenmordes ging. Daraufhin ließ Hitler das Drama 1941 kurzerhand verbieten.
Trotz seines Alters von 200 Jahren zeigen Zusammenfassung und Interpretation, dass "Wilhelm Tell" nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Auch heutzutage lassen sich Schillers Grundgedanken nachvollziehen und ethisch vertreten. Es lohnt sich für Jung und Alt, einen Blick in das kleine Reclam-Buch zu werfen.
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