Surrealistische Einflüsse - Mirós "Katalanische Landschaft"
Der spanische Maler Joan Miró (1893-1983) gehört zu den bedeutendsten Künstlern des Surrealismus. 1924 schloss er sich dieser Kunstrichtung an. Bereits vorher war er mit Dichtern und Malern befreundet, die den Kern der surrealistischen Bewegung um André Breton bildeten. Mirós Bilder weisen nicht nur surrealistische, sondern auch kubistische Merkmale auf. Charakteristisch ist die Verwendung biomorpher Objekte, die lebenden Wesen nachempfunden wurden.
Eins seiner berühmtesten surrealistischen Bilder ist die "Katalanische Landschaft (Der Jäger)". Das Bild entstand 1923/24, der Zeit, zu der André Breton sein erstes "Manifest des Surrealismus" verfasste. Dieses Gemälde ist in zwei farblich abgetrennte Hälften unterteilt. Der Betrachter sieht eine Komposition locker angeordneter Motive. Diese Bildstruktur hebt sich deutlich von den früheren geradlinigeren, kubistisch geprägten Formen ab. Sämtliche Motive sind durch ein dünnes Liniengerüst verbunden. Es wirkt, als schwebten sie frei im Raum, was eine bestimmte Leichtigkeit und Zerbrechlichkeit suggeriert. Keine von ihnen scheint im Vordergrund zu stehen. Der Betrachter kann das Bild als Gesamtwerk auf sich wirken lassen und seine individuelle Perspektive entdecken.
Der Untertitel "Der Jäger" verweist auf das Hauptmotiv in Mirós Gemälde. Den Jäger finden Sie links im Bild als Strichmännchen mit dreieckigem Kopf. Erkennbar ist er sowohl an seinem Schnurrbart als auch an dem, was er in Händen hält. In der linken Hand trägt er ein Gewehr, in der rechten ein Kaninchen. Die Bezüge zu realistischen Gegenständen sind jedoch so subtil, dass die Figur auf den ersten Blick kaum als Jäger identifiziert wird. Mirós Bildersprache ist geprägt von Symbolen, die nicht die reale Welt illustrieren, sondern jenseits konkreter Deutung liegen. Auf diese Weise ist das Bild ein typisches Beispiel für den Surrealismus. Seine Bilder haben eine unmittelbare Wirkung auf den Betrachter, ohne eine vollständige Deutung möglich zu machen.
Surrealistische Bilder von Picasso - "Kreuzigung"
Pablo Picasso (1881-1973) gehört zu den bekanntesten Malern des 20. Jahrhunderts. Seine lange Schaffensphase hat Bilder unterschiedlicher Stilrichtungen hervorgebracht. Picassos Verhältnis zum Surrealismus ist umstritten, doch manche betrachten ihn als Vorläufer dieser Kunstrichtung. Zwar vermeidet Picasso in seinen Werken jene traumhaften Elemente, die für den Surrealismus charakteristisch sind. Seine symbolische Ikonographie und seine bevorzugte Verwendung klassischer Mythen weisen jedoch dem Surrealismus verwandte Merkmale auf.
Eines der Werke aus dieser surrealistischen Phase ist die "Kreuzigung" (Öl auf Leinwand, 1930). Anders als bei Miró ist das Bild mit Figuren, Farben und Formen vollständig ausgefüllt. Dies ist nicht zuletzt der Grund für die starke Wirkung vieler Werke Picassos. Ein Betrachter fühlt sich im ersten Moment beinahe erschlagen von der Gewalt der Bildsprache. Im zweiten Moment muss er versuchen, einzelne Motive voneinander zu unterscheiden. Zentral ist die weiße Christusfigur am Kreuz, die sich schon farblich vom Rest des Bildes abhebt. Trotz des religiösen Hintergrundes hat das Bild laut einheitlicher Meinung der Kunstkritiker keine religiöse und daher auch keine blasphemische Bedeutung. Viel offensichtlicher ist auf den zweiten Blick die allgemeine Darstellung von Schmerz und Qual. Erkennbar wird dies an den offenen, schmerzverzerrten Mündern sämtlicher Figuren. Hierzu gehört auch die Darstellung der Maria Magdalena, die am Fuß des Kreuzes steht und ebenfalls weiß ist. Typisch für den Surrealismus ist die Verschiebung und Verzerrung der uns bekannten Logik. Links oben im Bild befindet sich der Schwamm, der mit Essig getränkt wurde. Der Schwamm ist jedoch beinahe halb so groß wie die Figur am Kreuz selbst. Er ist demzufolge auf den ersten Blick nicht als das erkennbar, was er darstellt. Vielmehr wirkt er wie ein großer Stein, was das Symbol der Gewalt nur noch deutlicher zum Ausdruck bringt. Lässt der Betrachter jedoch verschiedene Deutungen zu, ergibt sich eine andere Interpretation: Wenn die Szenerie aus der Perspektive des Gekreuzigten heraus entsteht, kann der Schwamm in dessen Augen viel riesiger wirken als alles andere um ihn herum. Auf diese Weise fügt Picasso auch halluzinatorische Elemente in sein Werk mit ein. Dies kommt der Traumwelt des Surrealismus bereits sehr nahe.
Inbegriff des Surrealismus - Tanguys "Tag der Trägheit"
Yves Tanguy (1900-1955) ist ein französischer Maler, der sämtliche Charakteristika des Surrealismus in seine Bilder einfließen lässt. Sie unterscheiden sich von der grellen Farbigkeit Picassos und ebenso von den biomorphen Figuren Mirós. Oft enthalten sie nur wenige Objekte, was den Effekt einer besonderen Luftigkeit und Lockerheit hervorruft. In seinem Bild "Tag der Trägheit" von 1937 fällt zunächst der Gegensatz zwischen Hintergrund und Vordergrund ins Auge. Die Objekte sind klar konturiert und doch keineswegs eindeutig identifizierbar. Eines von ihnen stellt laut Meinung der Kritiker ein Pferd mit Ritter und Waffe dar. Die zweite Figur lässt bei genauerem Hinschauen einen schneckenartigen Turm mit einem zweiten Kämpfer erkennen. Viel wichtiger als diese konkreten Identifizierungen sind jedoch Struktur, Farbe und Form des Bildes. Die Objekte sind vor einem Hintergrund angeordnet, der aus weichen Linien und Farben besteht. Es gibt keine klaren, abgetrennten Linien, sondern alles geht fließend ineinander über. Umso deutlicher heben sich die Objekte voneinander ab, wobei Tanguy auch hier auf harte, kräftige Farben verzichtet. Vorrangig verwendet er helle, bläuliche und rötliche Farbtöne, die jedoch niemals aufdringlich wirken. Wer dieses Gemälde als Kunstdruck an die Wand hängt, wird bei jeder Betrachtung neue Deutungsmöglichkeiten entdecken. Andererseits kann er auch einfach die Farben und Formen in ihrer Struktur auf sich wirken lassen. Das Bild, passend zum Titel, suggeriert keine konkrete Interpretation und lässt auch keine zu. Die Interpretation als Kampfszene mit zwei Kämpfern ist nur eine von vielen. Im Vordergrund steht die individuelle Wirkung auf den Betrachter.
Bilder jenseits des Realismus - Dalís "Beständigkeit der Erinnerung"
Salvador Dalí (1904-1989) ist zum Synonym für surrealistische Malerei geworden. Charakteristische Merkmale seiner Bilder sind die bevorzugte Verarbeitung des Unbewussten, Traumhaften und Irrealen. Die schmelzenden Uhren als Hauptdetail seines Gemäldes "Die Beständigkeit der Erinnerung" besitzt einen charakteristischen Wiedererkennungswert. Es entstand 1931 und gehört zu den bekanntesten surrealistischen Bildern.
Ein Betrachter, der sich das Ölbild ansieht, erkennt zunächst die drei zerfließenden Taschenuhren. Im Hintergrund befindet sich eine katalanische Meeres- und Felsenlandschaft. Auf der Uhr links im Bild sitzt eine Fliege, die auf den ersten Blick kaum erkennbar ist. Sie ist jedoch verantwortlich für die Symbolik des Bildes, denn sie ist das einzige lebende Objekt. Damit symbolisiert sie die Zeit, die im wahrsten Sinne des Wortes verfliegt. Noch weiter links sehen Sie eine weitere, noch geschlossene Uhr, die von Ameisen zerfressen wird. Dies bringt die Komponente des Zerfalls und der Vergänglichkeit und sorgt für eine beklemmende Atmosphäre. Neben diesen verzerrten, aber dennoch erkennbaren Motiven ergibt sich in der Mitte des Bildes der Höhepunkt der Abstraktion. Die Uhr in der Mitte zerfließt über dem ebenfalls völlig verschwommenen Gesicht des Künstlers, hier im Profil dargestellt. Ohne dieses Hintergrundwissen ist dieses Detail nicht identifizierbar. Umso mehr charakterisiert es die surrealistische, unwirkliche Gesamtatmosphäre des Bildes. Die Inspiration zu dem Werk erhielt Dalí aus dem Alltag in Form eines heißen, zerlaufenen Camemberts. Die Thematik des Harten und Weichen interessierte ihn so sehr, dass es ihn zu dieser Bildkomposition anregte. Gerade die scheinbar harten und festen Gegenstände werden hier als weich und vergänglich dargestellt. Die uns vertraute Beständigkeit der Dinge wird auf diese Weise in Frage gestellt.
Réné Magritte - Surrealismus im Gewand des Realismus
Besonders spannend wird Kunst dort, wo sie sich als etwas völlig anderes entpuppt, als sie zu sein scheint. Inbegriff dieses Phänomens ist das wohl berühmteste Gemälde des Surrealismus. Es handelt sich um das 1828/29 entstandene Bild "Der Wind und das Lied" von Réné Magritte (1898-1967). Wer es sieht, wird es auf den ersten Blick nicht für eine surrealistische Komposition halten. Alles, was auf dem Bild zu sehen ist, ist eine überdimensionale Pfeife. Unter der Pfeife steht geschrieben: "Ceci n'est pas une pipe.", auf Deutsch: "Dies ist keine Pfeife." Dieser Schriftzug sorgt zunächst für große Verwirrung, denn das Objekt ist eindeutig als Pfeife identifizierbar. Magritte macht mit diesem Bild jedoch auf eine voreilige Deutung aufmerksam. Er weist darauf hin, dass ein Objekt selbst nicht mit seinem Bild identisch ist. Es handelt sich um verschiedene Dinge, die jeweils verschiedene Assoziationen auslösen können. Hierzu gehört auch das Wort "Pfeife", das etwas anderes bedeutet als der Gegenstand und dessen bildliche Darstellung.
Noch deutlicher charakterisiert Magritte dieses Phänomen in seinem Gemälde "Der Schlüssel der Träume" (1930). Hier sieht der Betrachter sechs Gegenstände, die alle auf einer Art Schiefertafel aufgezeichnet wurden. Unter ihnen steht eine Bezeichnung, die jedoch nicht zutreffend ist. Unter dem Bild eines Damenschuhs steht die Bezeichnung "la lune" bzw. in Übersetzung "der Mond". Hierdurch zeigt der Künstler erneut, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Bedeutung des Dargestellten, des Bildes und des zugeordneten Wortes. Laut Magritte dienen die Namen der Gegenstände nicht dazu, sie zu erklären, sondern nur dazu, sie zu begleiten. Er durchbricht auf diese Weise die uns so vertrauten Alltagslogik. Aus diesem Grund lässt sich das Gemälde trotz der realistischen Darstellung als Werk des Surrealismus einordnen.
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