Veränderte Schulsituation - Strafarbeiten als Erziehungsmaßnahme?
- Zu allen Zeiten war es schwer, Schülern Lehrstoff zu vermitteln, wenn im Unterricht gestört wird. Die Schulgeschichte geht bis in die Antike zurück und lange Zeit war es nur Privilegierten gestattet, zur Schule zu gehen. Erst ab 1800 konnten z. B. "höhere Töchter" eine für sie eingerichtete Schule besuchen. Die erste Medizinerin mit Staatsexamen Deutschlands, Dr. Hope (1855 - 1916) z. B. musste für Ihre Zulassungen kämpfen.
- In der Schule lernen zu dürfen, galt als Privileg. Die wachsende Industrialisierung, Mitte des 18. Jh. forderte die Menschen zusehens. Der Bildungsweg war für viele der Zug in ein "besseres" Leben, gemäß dem Motto "Wissen ist Macht". Noch bis in die 50er Jahre hinein herrschte bei Eltern und Schülern eine große Motivation, Schulen zu besuchen, um lernen zu können. Die "Nachkriegsgeneration" zeigte sich voller Tatendrang, Wissen mit Lebensgestaltung zu verbinden, um Wohlstand zu erreichen.
- Mit wachsendem Wohlstand veränderten sich Lebensarten und Erziehungsstile. Die Erziehungseingriffe, die Lehrkräften bis dahin zugebilligt waren, wie z. B. Strafarbeiten, Abschreiben lassen, körperliche Züchtigungen usw. wurden diesen zum Teil berechtigt (körperliche Züchtigung) entzogen oder stark kritisiert. Unmerklich führte der stetig wachsende Wohlstand zu einer Übersättigung und seit den 1980er/19990er Jahren ist es für viele Schüler kaum noch nachvollziehbar, warum und wofür sie in der Schule lernen sollten.
- Das Mitspracherecht der Eltern entwickelte sich seit den 50ern zunehmend und teilte sich zweidimensional. Es entwickelte sich zwischen Eltern, Lehrer und Schüler zum einen eine kooperativ-konstruktive, zum anderen eine unkooperativ-destruktive Zusammenarbeit. Inzwischen herrscht in vielen Schulen ein "lernunmotivierter" Zustand. Strafarbeiten verlieren ihre Zweckmäßigkeit und das Abschreiben bestimmter Texte können weder Eltern noch Schüler nachvollziehen.
- Viele Lehrkräfte stehen vor der Situation, ihrem Beruf "Wissen zu lehren", kaum noch nachgehen zu können. Die undisziplinierte Haltung einiger Schüler und Eltern ist maßlos geworden, sodass weder Strafarbeiten zum Abschreiben, noch das bestehende Schulgesetz helfen. Einheitliche, eindeutige, durchsetzbare Regeln müssen neu definiert werden.
- Pädagogische Überlegungen, Motivation zu wecken sind sinnvoll, denn sie werden von lernwilligen Schülern, selbst bei vorliegender Konzentrations- oder Lernschwäche genutzt. In diesen Fällen sollte von Lehrkräften zu fordern sein, spezielle Lehreinheiten entwickeln und die unterschiedlichen "Lernwilligen" fördern zu können.
Umgehen Sie Strafarbeiten zum Abschreiben durch persönliche Haltung
- Klären Sie in einem Elterngespräch, dass die telefonische Erreichbarkeit vonnöten ist, im Fall von Erkrankung oder undiszipliniertem Verhalten der Schüler (z. B. Ausschluss vom Unterricht - Abholen durch die Eltern)
- Stellen Sie mit den Schülern klare Regeln für den Unterricht und den gegenseitigen Umgang miteinander auf. Geben Sie den Schülern dabei die Möglichkeit Interessenkonflikte, Ungleichbehandlungen usw. thematisieren und bemängeln zu dürfen.
- Treten Sie selbstbewusst vor die Klasse und bemühen Sie sich um ein freundliches, gemeinsames Lernklima, indem Sie engagiert, humorvoll und motiviert den Lehrstoff vermitteln.
- Seien Sie aufmerksam und suchen Sie das Gespräch mit jedem einzelnen Schüler, um einen guten Kontakt entstehen zu lassen. Bleiben Sie dennoch konsequent in Ihren Entscheidungen.
- Gehen Sie tolerant, mit etwas Geduld und klarer Ansprache (bzw. Aussprache) auf die Schüler zu. Weichen Sie den Konflikten nicht aus, doch erheben Sie Anspruch auf eigene Rechte (schreien schädigt die Gesundheit!).
Ziele und Aufgaben der Schule neu definieren
Ziel der Schule ist es, Bildung zu vermitteln. Aufgabe der Lehrkräfte ist, Bildungsarbeit zu leisten. Die "Erziehungsaufgabe", die ursprünglich auch Strafarbeiten als Erziehungsmaßnahme einschloss, kann sich daher nur auf die Unterstützung der elterlichen Erziehungsarbeit im Bereich "Bildung" beschränken. Fordern Sie im Lehrerkollegium das Gesprächsthema "Aufgabe der Schule" ein, um innerhalb "Ihrer" Schule einen gemeinsamen Konsens zu finden, den Sie an das Schulministerium weiterreichen. Bieten Sie nachfolgende, zu klärende Themen an:
- Welche Aufgaben sind von Schulen zu erfüllen (Bildung, Erziehungsunterstützung). Haben sich Schulen in der Vergangenheit ein Übermaß an Erziehungsaufgaben auferlegt? Was ist machbar, wo sind die Grenzen?
- Welche Aufgaben/Verpflichtungen haben Eltern (Erziehung und Motivation der Kinder/Jugendlichen, Aufsichtspflicht usw.)?
- Welche anderen Institutionen unterstützen die allgemeinen Erziehungsaufgaben der Eltern (pädagogische Familienhilfe usw...)?
- Sollten Entscheidungsrechte in die Selbstverantwortung der Eltern zurückgegeben werden?
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