Mann ist Stärke - konventionelle Assoziationen von Sprachausdrücken
Jedes Wort einer Sprache löst im Gehirn von Muttersprachlern bestimmte Assoziationen aus.
- Solche Assoziationen beruhen zu großen Teilen auf Konvention. Das heißt, dass die Mehrheit von Sprechern einer Sprache darüber überein gekommen ist. Ein Sprecher nutzt in einer bestimmten Situation beispielsweise ein neues Wort. In der nächsten Situation dieser Art nutzt er es abermals und immer so fort.
- Wenn er der einzige bleibt, der den Ausdruck unter den gegebenen Umständen anwendet, dann ist die daraus entstehende Wortbedeutung nicht konventionell. Imitieren seine Freunde die Nutzung des Wortes in Situationen derselben Art, dann verbreitet sich die Bedeutung auf diese Weise.
- Wenn sich die Nutzung auf die Mehrheit aller Sprachnutzer erweitert, dann etabliert sich die Bedeutung des Wortes mit der kontextuellen Assoziation einer bestimmten Situation. Unter diesen Umständen lässt sich von konventioneller Bedeutung sprechen. Die Assoziation der Situation, in der der Ausdruck genutzt werden kann, wird ebenso konventionell.
- Konventionelle Assoziationen zu einem bestimmten Wort haben meist eine dementsprechend lange Tradition. Bedeutung verbreitet und etabliert sich meist nicht rasant, sondern allmählich. Kultur, kollektive Erfahrung und Geschichte eines Volkes spielen bei der Etablierung meist eine entscheidende Rolle.
- "Mann" beispielsweise ist auf großen Teilen der Welt mit der Assoziation von Stärke behaftet. Das gilt auch für den deutschen Sprachraum. Gründe dafür gibt es vielerlei: Zum einen ist der Mann von seiner natürlichen Physiognomie her das stärkere Geschlecht. Zum anderen war er in Urzeiten wegen eben dieser Physiognomie für Verteidigung und Kampf zuständig.
- Diese körperliche Stärke wurde durch den Lauf der Menschheitsgeschichte daher zu einer konventionellen und traditionellen Assoziation des Wortes "Mann". Bedeutung bleibt über die Jahrhunderte niemals gleich, denn Sprache ist kein statisches Produkt, sondern ein dynamischer Prozess.
- Wenn Sprache sich nicht mit den Zeiten wandelt, dann stirbt sie aus, weil sie den sich wandelnden Gegebenheiten der schnelllebigen Welt nicht mehr gerecht wird. Sprachwandel ist daher unabkömmlich. Ein Hauptbestandteil von natürlichem Sprachwandel wiederum sind Bedeutungserweiterungen.
- Im Falle des Wortes "Mann" wurde die Assoziation der körperlichen Stärke bald zur metaphorischen Assoziation allgemeiner Stärke. Dem Ausdruck verhalf diese Metaphernerweiterung zu einem breiteren Spektrum der Anwendbarkeit. Da Sprache vor allem funktional sein muss, ist eine solche Erweiterung der Anwendbarkeit ein typisches Sprachwandelprodukt.
Je etablierter eine Wortassoziation in einer Kultur, desto mehr lässt sie sich an Sprichwörtern und Redensarten nachvollziehen. Für das deutsche Wort "Mann" gilt das in besonderer Weise. Nur ein Beispiel von vielen ist hierbei die Redensart "seinen Mann stehen".
Stehe deinen Mann! - doppelter Stärkeaufruf
Die traditionelle Assoziation von "Mann" und körperlicher Stärke und die Übertragung derer auf einen abstrakten Bereich, ist entscheidendes Moment für Redensweisen wie "stehe deinen Mann!".
- Der Ausdruck ist dementsprechend eine Aufforderung, stark zu sein, was sich aus dem konventionellen Assoziationsspektrum des Wortes "Mann" ergibt. Dass Verb "stehen" wiederum ist traditionell mit Assoziationen wie Mut belegt. In Konfliktsituationen wird seit jeher gestanden, denn auch das Stehen fordert und beinhaltet Stärke, während liegen beispielsweise körperliche Schwäche vermuten lässt.
- Grund für die Mut- und Konfliktbereitschaftsassoziationen zum Wort "stehen" ist ein natürlicher: Ein Lebewesen zeigt stehend seine volle Größe und kann den Gegenüber damit bedrohen oder einschüchtern. Stehen ist damit mit Dominanz verknüpft.
- Das Gegenteil davon ist die Demuts- und Unterwerfungsgeste des Duckens oder Liegens. Nachvollziehen lässt sich dieses Assoziationsspektrum von "stehen" ferner an Redensweisen wie "einstehen für etwas", "sich jemandem entgegen stellen" oder "zu seinem Wort stehen".
- Im Ausdruck "seinen Mann stehen" ist das Bedeutungsmoment der Stärke dementsprechend doppelt vorhanden, da es Hauptbestandteil von sowohl dem Substantiv "Mann", als auch dem gegebenen Verb ist. Stärke wiederum ist nur dann sichtbar, wenn eine Ausnahmesituation gegeben ist. Kontextuelle Bedeutungskomponente der Redensweise ist daher eine wie auch immer geartete Konfliktsituation.
- "Seinen Mann stehen" kann man daher lediglich in unangenehmen Situationen. In einem angenehmen Kontext ist die Verwendung des Ausdrucks unangemessen. Nur wenn eine Situation einen Fluchtimpuls oder Unterwerfungsimpuls im Angesprochenen auslöst, entfaltet die Aufforderung ihre volle Bedeutung, die da wäre: Stehen bleiben, nicht weglaufen, nicht unterwerfen, kämpfen, hart bleiben! Ob nun metaphorisch oder nicht.
Nun wissen Sie ganz genau, was die Redensart bedeutet. Aber wie sieht es mit der Umsetzung aus? Wie stehen Sie eigentlich Ihren Mann?
Die Bedeutung umsetzen - so stehen Sie Ihren Mann
Um Ihren Mann zu stehen, braucht es was? Richtig: Stärke. Der tatsächlichen Bedeutung der Redensweise werden Sie am besten auf vier Ebenen gerecht: Ehrlichkeit, Standhaftigkeit, Konfrontation und Mut.
- Weichen Sie Konflikten nicht aus, sondern konfrontieren Sie sich mit entstehenden Situationen, so unangenehm sie auch sein mögen.
- Stehen Sie immer für Ihre Überzeugungen ein und stehen Sie zu Ihrem Wort.
- Fördern Sie Ihr Selbstbewusstsein, denn "steh deinen Mann" impliziert selbstbewusstes Auftreten.
- Konfrontieren Sie sich mit sich selbst und seien Sie ehrlich mit sich. Genau das erfordert größten Mut.
Merken Sie sich, dass der Ausdruck nicht Ihre Unfehlbarkeit abverlangt, sondern eher ein entschlossenes und mutiges Voranschreiten auf Ihrem Weg fordert. Lassen Sie sich von Schwierigkeiten nicht abbringen oder in die Flucht treiben. Stehen Sie Ihren Mann!
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