Das Schneewittchen ist vielen Kindern bekannt
- Während der 70er und 80er Jahre wurden einige deutsche Märchen sehr verpönt, mit der Begründung, die Gestalten und Geschehnisse seien für Kinder zu dramatisch, angstbesetzt und grausam. Bevorzugt wurden oft Märchen wie z. B. „Die Prinzessin auf der Erbse“. Hans Christian Andersen war es eigen, Märchen in naiver Kindersprache, aus der Sicht eines Kindes zu erzählen. Die Geschwister Grimm (Schneewittchen) sammelten dagegen Haus- und Kindermärchen, die sie für die damalig-geltenden moralpädagogischen Zwecke veränderten.
- Charlotte Bühler (1893 - 1974 - Entwicklungspsychologin) publizierte ihre Forschung zum Thema Märchen 1918 unter dem Titel „Das Märchen und die Fantasie des Kindes“ und formulierte dabei den Begriff „Märchenalter“. Bühler interessierte u. a. das „Seelenleben“ drei- bis sechsjähriger Kinder, die gerne den Märchenerzählungen lauschten. Die Psychologin ging davon aus, das Märchen in diesem Kindesalter eine charakteristische Literatur sei, die Aufschlüsse über die kindliche Fantasie geben kann.
- Ludwig Bechstein (1801 - 1860) verfasste ebenfalls viele deutsche Märchen wie z. B. „Das tapfere Schneiderlein“, mit dem Ziel, durch leicht veränderte, historische Erzählungen, pädagogisch auf die Entwicklung der Kinder Einfluss zu nehmen. Seiner prototypischen Äußerung bzgl. der Verhältnismäßigkeit Märchen-, Kind -, Menschheitsgeschichte, ist zu entnehmen, dass im Kindesalter wie im Märchen Wunder möglich sind. Bechstein verweist darauf, dass es im Märchen weder Nähe, Ferne, Namen noch Jahreszahlen und andere Daten gibt.
- Die Arbeit im Kindergarten bedingt sicherlich weitsichtiges Denken und Handeln. Dennoch wurden einige Märchen wie z. B. "Der Wolf und die sieben Geißlein" oder "Schneewittchen" oft aus den Erzählungen ausgeklammert, weil die „Grausamkeiten“ des „Gefressenwerden“ oder „Töten“ für Kinder zu unerträglich seien. Zum Teil wurde vergessen, dass, wie Bühler bereits ausführte, die kindliche Vorstellungswelt mit den profanen, wunderbaren, alltäglichen Erzählungen im Einklang standen. Die „Allbeseelung“ der Hauptdarsteller - egal, ob es sich um Tiere, Pflanzen oder Menschen handele - stehe analog zur kindlichen Denkweise.
- Märchen erleichtern den Kindern, durch einfache Charakterdarstellungen, Antipathien und Sympathien deutlich zu verteilen. Die im Vordergrund stehende Handlung ist leicht verständlich und führt zu einem positiven Ende. Kinder verstehen Märchen vor allem durch emotionales Empfinden und die Verteilung zwischen Gut (Belohnung) und Böse (Strafe), dies entspricht zunächst der kindlichen Vorstellung. Die Hinweise der Märchen, dass Handlungen immer wiederholt werden müssen (drei Mal, sieben Mal usw.) vermitteln Kindern eine Art „Durchhaltevermögen“.
Gestalten Sie Märchenfeste im Kindergarten
Kinder sind von Magie, Zauber und Mystik fasziniert. Je vertrauter ihnen ein Märchen ist, umso sicherer gehen sie mit ihm um. Die gescheute „Grausamkeit“ eines Märchens wie z. B. beim „Rotkäppchen“ löst zwar Spannung aus, die sich jedoch hinsichtlich des unversehrten Ausgangs für die Hauptperson, sowie der Gut- und Böse-Honorierung relativiert.
- Märchen müssen erzählt, anstatt vorgelesen werden, denn Mimik und Körpersprache des Erzählers sind bedeutend. Studieren Sie die Märchen, bevor Sie sie erzählen. Schwingen Sie mit der Erzählung mit, aktivieren Sie Ihre Fantasie und erwecken Sie die Darstellungen zum Leben. Saugen Sie die Personen- und Ortsbeschreibungen intuitiv auf und stellen Sie sich die Szenerie bildlich vor.
- Sollte Ihnen der Ausgang eines Märchens zu grausam erscheinen, mildern Sie ihn. Sie als Erzähler stehen mit den Kindern in Verbindung und ziehen sie in Ihren Bann. Dem Erzieher im Kindergarten ist es freigestellt, ob er die „Bestrafung“ des Bösewichtes verändert. Im Beispielmärchen „Rotkäppchen“ könnte der Schluss mit der Erzählung enden, der Wolf habe, anstatt zu ertrinken, den Wald verlassen.
- Versetzen Sie sich in die Lage der Kinder. Wie könnten Märchen, z. B. Schneewittchen, auf Kinder wirken, was könnten Sie bewirken? Welche Bilder werden auftauchen? Ist es zweckmäßiger, die Märchen weniger dramatisch, eher ruhig und vertraut zu berichten? Erst wenn Sie sich Ihrer Art der „Märchenerzählung“ sicher sind, können Sie mit der Erzählung erster Märchen beginnen.
- Geben Sie den Kindern Zeit und Raum das „Erlebte - Gehörte“ zu reflektieren, „sacken“ zu lassen, um Fragen zu stellen. Erzählen Sie im Kindergarten keine Märchen kurz vor der Abholzeit! Märchen sind keine „Abholzeit-Warte-Geschichten"! Schließen Sie eine Beschäftigungs- bzw. Projektarbeit an, z. B. malen, basteln, Rollenspiel zum jeweiligen Märchen, um Kindern Reflexionsmöglichkeiten zu bieten.
- Ist den Kindern die Welt der Märchen vertraut, bereiten Sie gemeinsam ein „Märchenfest“ vor. Bauen Sie aus Kartons Wälder, Häuser usw. Bieten Sie Verkleidungen, Rollen- und Singspiele an, damit die Kinder in die Welt der Märchen eintauchen können.
Sollten Sie selber mehr Interesse an Märchen entwickeln, könnte die „Deutsche Märchenstraße“ für Sie vielleicht interessant sein.
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