Grundsätze der Naturlyrik
Die Natur wird seit jeher als Gegenstück zur Zivilisation angesehen. Vor allem seit der Zeit der Industrialisierung ist der Kontrast zwischen beiden deutlich. So war es die Verstädterung, die riesige Siedlungen und Betonlandschaften hervorrief. Als Kontrapart dazu gelten wild wuchernde Wälder und Wiesen, romantische Bäche und das stürmische Meer. Vor allem die Romantiker, deren großes Ideal die Flucht aus der kalten Gegenwart war, beriefen sich auf die Natur als Ideal. Sie fügten ihr sogar übersinnliche Elemente hinzu, um sie noch mehr zu verklären. Die damalige Naturlyrik unterscheidet sich in ein paar essentiellen Punkten von der der Gegenwart. Manche sind hingegen gleich geblieben.
Die Natur in der Gegenwartslyrik
Die Gegenwartslyrik unterscheidet sich generell von der der Romantik, des Sturm und Drang und anderer früherer Epochen. Zum einen wird der Reim mittlerweile vernachlässigt, gilt teils gar als verpönt.
- Zum anderen ist auch das Versmaß nicht mehr so entscheidend wie früher. So gibt es Gedichte, bei denen achtsilbige Zeilen einem einzigen Wort gegenüberstehen. Gedichte müssen keiner festen Form mehr folgen.
- Diese größere Freiheit nimmt auch ihren Einfluss auf die Naturlyrik. Sorgte früher ein klares Versmaß sowie die Reimform für Harmonie, wirken heutige Naturgedichte oft chaotisch. Dies gibt der Natur einen anderen Unterton: Das Wilde, Unkontrollierbare wird hervorgehoben.
- Dazu kommen Unterschiede im Einsetzen der Natur. Was noch gleich ist, ist die Kontrastierung zwischen Natur und Zivilisation. Immer noch wird sie den Städten, den Metropolen und "Molochen" gegenübergestellt.
- Verändert hat sich in der Naturlyrik der Gegenwart jedoch die klare Abgrenzung von beidem. So geht es manchmal auch um Spuren der Zivilisation in der Natur, die beispielsweise durch Vergleich herausgestellt werden. Gräser können mit Laternenmasten, Bäume mit Hochhäusern verglichen werden.
- Zudem wird die Natur häufig mit harten Adjektiven beschrieben, die nicht zu einem rein romantischen Bild passen wollen. So können Worte wie "pfeilschnell" oder "dröhnend laut" auch etwas beschreiben, das außerhalb aller menschlichen Geschäftigkeit passiert.
Zu guter Letzt fällt auf, dass die Natur häufig als etwas Vergangenes dargestellt wird. Ein Beispiel dafür ist Wilhelm Lehmanns Gedicht Oberon. Ohne, dass es direkt gesagt wird, wird Oberon hier zu einem Geist der Vergangenheit, der die gesamte Natur symbolisieren kann - oder auch den verklärten Blick der Romantiker auf das Wilde.
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