Was ist ein musikalisches Motiv?
- Ein Motiv kann aus einem oder zwei Takten, aber auch nur aus zwei Tönen bestehen. Wichtig ist es hierbei, zwischen Thema und Motiv zu unterscheiden. Während es sich bei einem Thema oder einer Phrase um eine vollständige Melodie handelt, inklusive Anfang, Höhepunkt und Schluss, ist ein Motiv wesentlich kürzer, oft aber auch prägnanter und eingängiger.
- Sie erkennen ein Motiv in einer Komposition daran, dass es nicht nur einmal, sondern mehrmals auftaucht. Meist beginnt ein Stück schon mit einem charakteristischen Motiv, denken Sie z. B. an den berühmten Anfang von Beethovens 5. Sinfonie.
- Das Motiv erfüllt eine wichtige Funktion in der Komposition, denn einerseits sorgt es für einen Wiedererkennungseffekt, jedes Mal, wenn es auftritt, andererseits treibt es die Entwicklung des Stückes voran, da es sich geringfügig verändern kann. In manchen Kompositionen kann das Motiv sogar regelrecht entstellt wirken, dennoch muss es so viele seiner ursprünglichen Eigenschaften behalten, dass es identifizierbar bleibt.
Beispiele für musikalische Motive
Die Beschreibung von Motiven hilft dabei, eine Komposition besser zu durchschauen und sie auch anderen besser verständlich zu machen. Es gibt verschiedene Arten musikalischer Motive, einerseits jene, die lediglich mit Worten ausdrücken, was in den Noten steht, andererseits jene, die Metaphern einbeziehen oder Lautmalereien ausdrücken.
- Manche Motive lassen sich einfach dadurch beschreiben, dass man ein charakteristisches Element herausgreift und das Motiv nach diesem benennt. Besteht ein Takt beispielsweise aus aufsteigenden Punktierungen, wie z. B. Beethovens Klaviersonate in c-Moll op.10/1, spricht man bei einer Analyse im Folgenden von einem Punktierungsmotiv. Genauso spricht man von einem Pendelmotiv, wenn die Melodielinie aus dem permanenten Wechsel zwischen gleichbleibenden Intervallen besteht, z. B. Sekunden. So z. B. könnte man den berühmten Anfang von Beethovens "Für Elise" treffend beschreiben.
- Besonders beliebt sind solche Motive, die sich außermusikalischen, teils lautmalerischen Vergleichen bedienen, da auf diese Weise auch ein Laie, dem der musikanalytische Fachjargon nicht geläufig ist, eine genaue Vorstellung erhält. Unter dem Ausdruck "Kuckucksmotiv" versteht man z. B. den charakteristischen Terzfall, der aus dem Lied "Kuckuck, Kuckuck, ruft's aus dem Wald" bekannt ist. Ein "Jagdmotiv" bezeichnet eine Tonfolge im 6/8-Takt, die aus typischen Jagdfanfaren besteht, in denen meist Quarten und Quinten enthalten sind. Ein weiteres berühmtes Beispiel ist das "Seufzermotiv": Dieses besteht aus einer kleinen Sekunde abwärts, wobei die erste Note besonders hervorgehoben wird, sodass unweigerlich die Assoziation eines schweren Seufzers entsteht.
- Gelegentlich sorgen auch Metaphern dafür, dass eine musikalische Analyse nicht allzu trocken wirkt. Diese sind besonders nützlich, da sie dabei helfen, der Musik als einer begriffslosen Kunst dennoch eine gewisse Bedeutsamkeit zu verleihen. Außerdem dienen sie auch der Vereinfachung, denn oft lassen sich mehrere musikalische Parameter in einem einzigen Ausdruck zusammenfassen. Ein "Triumphmotiv" kann beispielsweise folgende Eigenschaften beinhalten: Forte-Klang, große Intervalle, sprunghafte Melodik, prägnanter Rhythmus etc.
Zur Entwicklung musikalischer Motive in der Komposition
- Wie schon gesagt, muss ein Motiv nicht immer genau dieselbe Gestalt haben, die es in seiner ursprünglichen Form hatte. Es kann z. B. die Tonart verändern, die Lautstärke, die Art der Begleitung (z. B. in einer Sinfonie), das Tempo usw.
- Komponisten machen sich diese Eigenschaft von Motiven zunutze, indem sie der Musik dadurch eine bestimmte Aussagekraft verleihen. Ein Motiv, das am Anfang einer Komposition durch die entsprechenden musikalischen Merkmale energisch, triumphierend und in sich stabil wirkte, kann unter Umständen am Schluss völlig anders erscheinen, z. B. klagend, melancholisch oder zweifelnd. Nur durch die Veränderung bestimmter musikalischer Motive kann auf diese Weise eine musikalische Aussage entstehen, durch die der Komponist dem Hörer ganz ohne Worte zu verstehen gibt, was eine scheinbar trockene Analyse oftmals zu einer spannenden Beschäftigung werden lässt.
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