Kirchentonleitern - was ist das überhaupt?
- Wenn Sie eine Tastatur vor Augen haben, können Sie sich die Kirchentonleitern besonders leicht vergegenwärtigen. Spielen Sie zunächst eine Tonleiter vom d' bis zum d''. Benutzen Sie hierbei nur weiße Tasten. So entsteht die Tonart d-Dorisch.
- Spielen Sie nun erneut die weißen Tasten aufwärts, diesmal von e' bis e'', ergibt sich die Tonart e-Phrygisch. Die Tonleiter von f' bis f'' heißt f-Lydisch, die von g' bis g'' g-Mixolydisch.
- Die vier Tonleitern Dorisch, Phrygisch, Lydisch und Mixolydisch sind die gebräuchlichsten Kirchentonleitern. Wenn Sie beim c beziehungsweise beim a mit der Tonleiter starten und nur weiße Tasten spielen, wird Ihnen etwas auffallen. Diese Tonleitern klingen genauso wie C-Dur beziehungsweise a-Moll. Deshalb werden die zugehörigen Kirchentonleitern - Ionisch (ab c) und Äolisch (ab a) - kaum in diesem Zusammenhang verwendet.
- Ebenso ungebräuchlich ist die Kirchentonart, die mit dem Ton h startet. Sie heißt h-Lokrisch und gehört zwar zu den Kirchentönen (auch Modi genannt) dazu, kommt aber selten vor.
Wie kann man Kirchentonleitern hörend wiedererkennen?
- Dur- und Molltonleitern haben eine ganz eigene Klangcharakteristik, die Sie mit ein bisschen Übung gut heraushören können. Das Gleiche gilt auch für Kirchentonleitern, selbst wenn Ihnen der Klangeindruck hier möglicherweise etwas fremd scheint. Bei allen Tonleitern gilt folgende Regel: Wenn Sie wissen, wie sie aufgebaut sind, können Sie sie auch unterscheiden.
- Jede Tonleiter ist aus Halb- und Ganztonschritten aufgebaut. Halbtonschritte kommen nur jeweils an zwei Stellen vor. Diese Stellen sollten Sie sich gut merken. Bei einer Durtonleiter tauchen sie zwischen dem 3. und dem 4., und zwischen dem 7. und 8. Ton auf. Bei einer Molltonleiter liegen sie zwischen dem 2. und dem 3., und zwischen dem 5. und dem 6. Ton. Besser, als die Anordnung einfach auswendig zu lernen, ist es natürlich, sie selbst erkannt zu haben. Spielen Sie hierzu eine Tonleiter zwischen d' und d'' auf der Klaviertastatur. Spielen Sie nur die weißen Tasten. Überlegen Sie nun selbst, wo Halbtonschritte und Ganztonschritte sind. Dabei werden Sie zu folgendem Ergebnis kommen: Ganzton (d'-e'), Halbton (e'-f'), Ganzton (f'-g'), Ganzton (g'-a'), Ganzton (a'-h'), Halbton (h'-c''), Ganzton (c''-d''). Folglich liegen die Halbtonschritte zwischen dem 2. und 3., sowie zwischen dem 6. und 7. Ton der Tonleiter.
- Vergleichen Sie die Anordnung der Halbtonschritte mit jenen der Dur- und Molltonleitern. Fällt Ihnen etwas auf? Die Tonleiter d-Dorisch beginnt genauso wie eine Molltonleiter, mit dem Halbtonschritt zwischen dem 2. und dem 3. Ton. Dies ist der erste Weg, sie hörend wiederzuerkennen. Wenn Sie eine Skala hören, die wie Moll anfängt, in der zweiten Hälfte aber anders klingt, handelt es sich wahrscheinlich um Dorisch.
- Leider ist es im Gegensatz zu Dur und Moll so, dass jede Kirchentonleiter anders aufgebaut ist. Das heißt, Sie sollten die Anordnung der Halbtonschritte bei jeder Tonleiter kennen. Wenn Sie nach dem eben beschriebenen Schema vorgehen, erhalten Sie für e-Phrygisch folgendes Ergebnis: Die Halbtöne liegen zwischen dem 1. und dem 2. sowie zwischen dem 5. und dem 6. Ton. Auch hier ergeben sich jedoch bestimmte Charakteristika. Hier ist es zum Beispiel so, dass die zweite Hälfte der Tonleiter so ähnlich klingt wie Moll, die erste sich dagegen unterscheidet. Hörend ist dies jedoch schwer zu erkennen. Dafür gibt es das entscheidende Merkmal der ungewöhnlichen kleinen Sekunde am Anfang der Tonleiter. Sie wird auch "phrygische Sekunde" genannt. Die phrygische Tonleiter ist die einzige, die mit einem Halbtonschritt beginnt, sodass sie sich gut von anderen unterscheiden lässt.
- Die Charakteristik der lydischen Tonleiter können Sie erneut anhand eines Vergleichs mit der Durtonleiter erkennen. Die Halbtonschritte liegen hier zwischen dem 4. und dem 5. sowie zwischen dem 7. und dem 8. Ton. Bezeichnend ist hier die Leittönigkeit zum Grundton, die Sie schon von der Durtonleiter kennen. Ebenso charakteristisch ist jedoch der Beginn mit vier aufeinanderfolgenden Ganztönen. Dies fällt besonders bei dem 4. Ton auf, der ungewöhnlich hoch wirkt im Vergleich zu einer Dur- oder Molltonleiter. Denken Sie bei Lydisch einfach an eine Ganztonleiter, die sich nach den ersten vier Tönen anders entwickelt und zum Schluss nach Dur klingt.
- Bei der mixolydischen Tonleiter befinden sich die Halbtonschritte zwischen dem 3. und dem 4. sowie zwischen dem 6. und dem 7. Ton. Analog zur dorischen Tonleiter, die in der ersten Hälfte an Moll erinnerte, erinnert Mixolydisch zunächst an Dur.
- Der Schlüssel zum hörenden Wiedererkennen liegt nicht nur in der Kenntnis der Halbtonschritte. Dieses Wissen ist extrem nützlich, jedoch ist es noch hilfreicher, die Tonleitern selbst zu singen. Auf diese Weise vergegenwärtigen Sie sich den Ablauf noch gründlicher. Wenn Sie also eine Tonleiter hören, sie aber nicht sofort zuordnen können, versuchen Sie, sie zu singen. Auf diese Weise wird es Ihnen leichter fallen, zwischen Halbtönen und Ganztönen zu unterscheiden und auf Klangcharakteristiken zu achten.
Kirchentonleitern transponieren - der Quintenzirkel hilft dabei
- Nach diesen theoretischen Überlegungen zum Aufbau der Kirchentöne stellt sich folgendes Problem: Wie kann man Kirchentonleitern schnell transponieren, ohne mühsam Halb- und Ganztonschritte zu zählen? Die gute Nachricht: Um Kirchentonleitern von allen anderen Tönen aus spielen zu können, gibt es einen einfachen Trick. Hierzu müssen Sie keine Tonfolgen abzählen, sondern einfach den Quintenzirkel gut kennen.
- Erinnern Sie sich an das wichtigste Prinzip des Quintenzirkels. Oben steht C-Dur, als Tonart ohne Vorzeichen. Rechtsherum sind die Kreuztonarten eingezeichnet, linksherum die B-Tonarten. Die Vorzeichen steigen nach und nach an. Rechts von C steht also zunächst die Tonart mit einem Kreuz, dann jene mit zwei Kreuzen und so weiter. Das gleiche Prinzip gilt für die Tonleitern links von C, hier jedoch mit B-Vorzeichen.
- Um welche Tonarten es sich handelt, erfahren Sie, wenn Sie in Quinten aufwärts beziehungsweise abwärts gehen, angefangen beim C. Für die Kreuztonarten erhalten Sie so die Tonarten G, D, A, E, H und Fis, die B-Tonarten sind F, B, Es, As, Des und Ges. Wenn Sie es vermeiden möchten, permanent Quinten zu zählen, denken Sie an die beiden Merksprüche: "Geh Du Alter Esel Hole Fische" für die Kreuztonarten beziehungsweise "Frische Brötchen Essen Asse Des Gesangs" für die B-Tonarten.
- Denken Sie sich folgendes Beispiel: Sie möchten eine dorische Tonleiter spielen, aber nicht bei d, sondern bei e beginnen. Die Frage, die nun zählt, ist nicht die nach der Anordnung der Halbtonschritte, sondern die nach den Vorzeichen. Der Ausgangspunkt im Quintenzirkel ist nun die Position D-Dur, denn die Ursprungstonleiter für Dorisch beginnt mit dem Ton D. Zieltonart ist E, im Quintenzirkel zwei Tonarten weiter rechts. Daraus leiten Sie ab, dass die Tonleiter e-Dorisch zwei Vorzeichen hat, weil Sie zwei Schritte weitergehen im Quintenzirkel. Zwei Kreuze müssen es sein, weil es zwei Schritte nach rechts sind, nicht nach links. Da die Reihenfolge der Vorzeichen immer gleich bleibt, wissen Sie automatisch auch, welche es sein müssen: fis und cis. Die Tonleiter e-Dorisch hat demnach folgende Töne: e, fis, g, a, h, cis, d und e.
- Versuchen Sie es mit einem weiteren Beispiel. Angenommen, Sie möchten eine mixolydische Tonleiter vom Ton B aus spielen. Ausgangspunkt ist demnach G-Dur, denn wenn wir bei dem Ton G beginnen, hat die Tonleiter keine Vorzeichen. Zieltonart ist B, im Quintenzirkel drei Schritte nach links. Nun wissen Sie also, dass B-Mixolydisch drei B-Vorzeichen haben muss, denn Sie sind ja nach links gewandert. Die zugehörigen Vorzeichen sind b, es und as. Die entsprechende Tonleiter hat also folgende Töne: b, c, d, es, f, g, as und b.
- Mit diesem einfachen Trick können Sie alle Kirchentonleitern mühelos von jedem beliebigen Ton aus spielen.
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