Habitueller Zehenspitzengang: Was bedingt die Störung?
Der Zehenspitzengang, bzw. Zehengang ist in den weltweit genutzten Klassifikationen als Krankheitsbild erkannt, jedoch ist sich die Wissenschaft nicht einig, welche Ursachen der Ganganomalie zugrunde liegen.
Zum einen ist der (exzessive) Gang auf dem Vorderfuß ein eigenständiges Störungsbild für sich, zum anderen kann der Zehengang auch als Begleiterscheinung verschiedener anderer Krankheiten auftreten. So scheinen Kinder mit geistigen Behinderungen und Autismus relativ häufig den habituellen Zehengang zu bevorzugen.
Doch nur weil ein Kind häufig auf dem Vorderfuß läuft, liegt noch keine geistige Störung vor. Herunterspielen sollte man die Ganganomalie jedoch nicht. Im Gegenteil! Je früher eine fehlerhafte Gangart korrigiert wird, desto erfolgreicher ist die Therapie.
Auf eigenen Beinen stehen: der habituelle Zehengang zeigt sich schon im Kleinkindalter
Das Phänomen der Zehengänger ist der Wissenschaft nicht neu. Von ersten Beschreibungen in antiken medizinischen Publikationen einmal abgesehen, haben Mediziner und Wissenschaftler seit den 1950er Jahren einen Blick auf die Ganganomalie.
Meist tritt das Gehen auf dem Vorfuß im jüngsten Kindheitsalter auf. Hier sollten Eltern genau beobachten, ob das Kind häufig und in normalen Alltagssituationen auf den Zehenspitzen läuft, oder aber ob es dies nur in aufregenden Situationen, im Spiel oder beispielsweise bei Nervosität tut.
In jedem Fall sollte der Kinderarzt/die Kinderärztin darüber informiert werden, wenn der Gang auf dem Vorfuß über mehrere Wochen geschieht. Wobei hier in der Regel vom freien Gehen die Rede ist, nicht also, wenn das Kleinkind mittels Festhalten an einem Möbel „geht“. Dann kann die weitere Diagnostik beginnen. Hierbei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, darunter die Anatomie des Fußes, des Sprunggelenkes und der Hüfte sowie die Fähigkeiten von Rotation und Gleichgewicht.
Warum wird ein Kind zum Zehengänger?
Die Ursachen für den habituellen Zehengang, bzw. der Gang auf dem Vorfuß können verschiedener Natur sein. Mögliche Ursachen für die Ganganomalie sind eine verkürzte Achillessehne oder Wadenmuskulatur, eine Muskel- oder auch Entwicklungsstörung, ebenso eine Hypersensibilität des Bereiches zwischen Zehen und Versenbeginn oder aber familiäre, sprich genetische, Vorerkrankungen. Interessanterweise stehen wohl auch Lungenentzündungen im Verdacht, Auswirkungen auf einen späteren Zehenspitzengang zu haben.
Bis zum zweiten Lebensjahr tritt der Zehenspitzengang noch relativ häufig in Erscheinung; sollte jedoch nicht das komplette Gangbild beherrschen. Zudem sollte die Fähigkeit gegeben sein, den Fuß im Stand flach aufzustellen.
Spätestens mit dem dritten Lebensjahr sollte das Kind die Abroll-Bewegung beim Gehen machen. Tut es dies nicht, so können über einen längeren Zeitraum Begleiterscheinungen die Folge sein. Knie- und Rückenschmerzen gehen häufig mit dem habituellen, also dem gewohnheitsmäßigen, Zehengang einher.
In der Regel verliert sich das Verhalten, permanent auf dem Vorderfuß zu gehen, bis zum fünften Lebensjahr von alleine. Auch der Kinderarzt wird nicht sofort eine therapeutische Maßnahme veranlassen, sollte das Zehenspitzengehen schon Thema sein.
Bei anhaltenden Schäden besteht Handlungsbedarf
Sind jedoch bereits motorische Schäden wie eine verhärtete Wadenmuskulatur, eine spitz zulaufende Verse oder ein platt gedrückter Vorfuß vorhanden, besteht Handlungsbedarf. Hier werden verschiedene Ansätze mit sehr guten Therapieausgängen berücksichtigt. Eine Möglichkeit zur Behandlung des abnormalen Ganges ist Physiotherapie. Begleitend dazu können im Privaten Dehnübungen der Achillessehne und der Wadenmuskulatur den Therapieausgang begünstigen, ebenso, wenn verordnet, maßangefertigte Einlegesohlen für die Schuhe.
Etwas statischer hingegen sind Schienen oder Orthesen, die, je nach Schwere der Anomalie, sowohl tagsüber als auch nachts getragen werden sollten. Auch Botox-Injektionen in den Wadenmuskel werden als therapeutische Maßnahmen herangezogen, stellen aber immer nur eine zeitlich begrenzte Therapie dar, mit dem Effekt, dass sich die Wadenmuskulatur komplett entspannt. Nur in seltenen Fällen bedarf es einer Operation, um beispielsweise eine verkürzte Achillessehne zu verlängern.
Dass Kleinkinder zeitweise auf den Zehenspitzen gehen, dürfte nur die wenigsten Eltern überraschen. Wird der Gang auf dem Vorderfuß jedoch zur Gewohnheit, hält über mehrere Monate an und schreitet mit zunehmendem Alter voran, dann sollten die Ursachen abgeklärt werden. Oft verschwindet die Anomalie von selbst; alternativ können Physiotherapie und Einlegesohlen das Gangbild verbessern. Präventiv können Eltern auf die Verwendung eines sogenannten „Gehfreis“ verzichten. Einige Studien untersuchen einen Zusammenhang zwischen der Intensität des Zehengehens und dem frühkindlichen Aufenthalt in einem Gehfrei.
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