Theodizee setzt sich aus den griechischen Worten "theos" = Gott und "dike" = Recht zusammen. Die Theodizeefrage stellt die Frage nach dem Sinn von Leid. Im Leben wird kaum ein Mensch von Leid verschont. Wenn Gott den Menschen liebt, ist fraglich, warum er dem Menschen Leid zumutet.
Die Theodizeefrage findet sich in der Bibel im Hiobbuch
Leid verschont keinen. Jeder kann jeden Tag betroffen sein. Dabei geht es nicht um das Leid, das die Menschen selbst verschulden oder verursachen.
- In der Theodizeefrage geht es vielmehr um das Überfallenwerden durch das Unerklärbare und Unvermeidbare. Es geht um die Rätselhaftigkeit des Leides und seine Einordnung in das Welt- und Selbstverständnis des Menschen. Maßgebend ist dabei nicht der ethische Aspekt des Leids, sondern sein philosophischer und theologischer Ansatz.
- Die älteste Auseinandersetzung mit der Theodizeefrage stammt aus dem Hiobbuch in der Bibel. Hiob verlor sein Vieh durch Raub, seine Söhne, Töchter und seine Frau durch Unglücksfälle. Er stand vor dem Nichts. Seine Freunde versuchten ihn in seinem Leid zu trösten. So kommt es zur Sinnfrage des Leids, eben der Theodizee.
Der Mensch ist zu unvollkommen, um Leid zu verstehen
In der Diskussion zwischen Hiob und seinen Freunden wird Hiobs Leid entgegengehalten, dass kein Mensch vor Gott bestehen kann. Das Geschöpf Mensch sei dem Schöpfer unendlich unterlegen.
- Die Schwäche der Menschen und ihre Ohnmacht beruhen nicht auf einer Sünde, sondern auf ihrer Existenz als bloße Kreatur.
- Ihre Unzulänglichkeit hat keine religiösen oder ethischen Gründe. Sie geht allein auf ihre stofflich-sterbliche Art zurück. Dieser Sachverhalt erklärt Hiobs Unglück.
Die Diskussion ergibt, dass die Frage nach dem rechten Verhalten im Leid, gegenüber der Frage nach dem Verstehen des Leides, im Vordergrund steht. Erst in der lebendigen Begegnung mit der Allmacht könne der Mensch Gott erkennen.
Auch Philosophen fragten nach den Ursachen des Leids
- Die Theodizeefrage wurde auch von dem Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz erörtert (1646 - 1716). Er war überzeugt, dass Gott bei seiner Schöpfung unter allen möglichen Welten die beste erschaffen habe. Dies folge aus dem Wesen Gottes. Der Mensch könne als ein geschaffenes Wesen nur unvollkommen sein. Andernfalls wäre er Gott gleich. Daher können auch die ihm eigenen Empfindungen nicht vollkommen sein. Es gehören auch solche des Leidens dazu.
- Der Philosoph Immanuel Kant stellte 1791 fest, dass die Welt als das Werk Gottes für uns oft ein verschlossenes Buch bleibe. Demgemäß heißt sein Aufsatztitel: "Über das Misslingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee".
- Der Philosoph Ernst Bloch war Atheist. In seinem Werk „Prinzip Hoffnung“ gibt er die Anleitung, dass der Mensch trotz des Leids nicht resignieren solle. Vielmehr soll er versuchen, sein Leid zu erdulden. Denn gerade der Rebell besitze Gottvertrauen, ohne an Gott zu glauben.
- In der modernen Literatur wird die Frage von Samuel Beckett in "Warten auf Godot" 1953 erörtert. Ähnliches findet sich bei Archibald MacLeish "Spiel um Job" 1958. Der Theologe Ernesto Cardinal fragt 1965 in einem Psalm: "Mein Gott, mein Gott - warum hast du mich verlassen?".
Erkenntnisse für den Alltag
- Angesichts des Elends in der Welt, ist die Frage des Leids aktuell wie eh und je. Über die Schöpfung lässt sich lange nachdenken. Eine befriedigende Antwort wird es nie geben. Gäbe es sie, würde sich der Schöpfer zu sehr offenbaren. Es ist und bleibt sein Geheimnis. Der Mensch ist zu unvollkommen, um das Geheimnis zu lüften. Jeder Lösungsversuch bleibt philosophisch oder theologisch. Einen wissenschaftlichen Zugang gibt es nicht.
- Wer an keinen Schöpfer glaubt, hat es einfacher. Dann hat die Evolution eben alles so hergerichtet. Sie kennt kein Gut oder Böse. Es ist so, wie es ist. Die Frage nach dem Sinn oder Unsinn von Leid stellt sich nicht.
Richtungsweisend ist in allen Erörterungen die Hoffnung. Auch der todkranke Mensch, sei er religiös oder nicht, hoffe. Gibt es keine Hoffnung, hat das Leben keinen Sinn. Die Hoffnung ist Grundlage von Moral, Zuversicht, Ehrgeiz, Liebe und Leid. Sie lässt uns das Leid ertragen. So heißt es denn auch im Römerbrief (8, 24 - 25): "Denn durch die Hoffnung werden wir gerettet". Im christlichen Bereich entsteht daraus der Gedanke der Auferstehung.
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