Was Sprache für Rousseau bedeutete
Jean-Jacques Rousseau war ein französischer Gelehrter des 18. Jahrhunderts. Er betätigte sich als Naturforscher und Philosoph, als Schriftsteller und Komponist. Er war ein wichtiger Faktor der Französischen Revolution. Rousseau beschäftigte sich auch mit Sprache.
- Für Rousseau bedeutet Sprache "Menschsein". Den Menschen definiert die Sprache, die ihn von den Tieren abhebt.
- Rousseau geht von einem unschuldigen Naturzustand des Menschen aus, dem er sich langsam entfremdete. Privateigentum, Ungleichheit, Eitelkeit und Staatenbildung gehören für ihn zu den Faktoren, die das Böse im Menschen wachriefen.
Mit diesen Faktoren kam die Sprache als ein notwendiges Mittel zur Kommunikation. Die ursprünglichen Motivationen des Menschen, eine Sprache zu entwickeln, beschreibt Rousseau in dem "Essai sur l'origine des langues".
Der Naturzustand des Menschen
Rousseau entwickelte ein Gedankenkonstrukt über den sogenannten Naturzustand des Menschen. Im Naturzustand war der Mensch, bevor er von der beginnenden Zivilisation überformt wurde. Er nahm den Menschen seiner Zeit und reduzierte ihn um alle Aspekte, die er der Zivilisation zuschrieb:
- Der Mensch ist nach Rousseau im Naturzustand ein Einzelgänger, der zur Fortpflanzung mit anderen Menschen zusammenkommt.
- Es herrschte Besitzlosigkeit. Neid oder Habsucht gab es nicht. Damit waren alle Menschen gleich, abgesehen von naturgegebenen physiologischen Unterschieden.
- Es gab weder Staaten noch ein verbindliches Gesetz. Der Mensch lebte nach den Gesetzen der Natur.
- Es gab keine verbindliche Moral. Jeder handelte nach seinem eigenen Selbsterhaltungstrieb und nach einer natürlichen Mitleidfähigkeit.
Rousseau entwarf mit seinem Naturzustand ein friedliches Miteinander der Menschen, obwohl er Gewalttätigkeiten nicht ausschließt. Sprache war zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfunden, die Menschen kommunizierten mit Gesten und tierischen Lauten.
Rousseaus Theorie zum Sprachursprung
Wenn Sie Roussaus Sprachursprung folgen, gehen Sie von diesem Naturzustand des Menschen aus.
- Für den Menschen im Naturzustand reiche nach Rousseau eine nonverbale Sprache, eine Sprache, die über Gesten und Mimik funktioniert. Sie reiche für alle direkten Bedürfnisse aus.
- Wenn das Überleben durch Gebärden gesichert ist, warum dann die Entwicklung einer Lautsprache? Rousseaus Theorie nach sind der Ursprung der lautlichen Sprache die Leidenschaften. Liebe, Hass, Mitleid bringen Menschen zusammen und verlangen nach einer tiefergehenden Kommunikation.
- Der Sprachursprung lag dem französischen Gelehrten zufolge in emotional gefärbten Lauten wie Seufzern oder Schreien. Diese differenzierten sich langsam zu Silben und zu Wörtern. Die Sprache ist emotional und bedient sich Metaphern, sie ist weniger logisch und rational als die Kommunikation über Gebärden und Mimik. Rousseau bezeichnet die Sprache der ersten Menschen als eine "Sprache von Dichtern". Präzision, Logik und Grammatik seien der Harmonie der Laute zuliebe vernachlässigt worden.
- Rousseau geht davon aus, dass die frühen Sprachstufen viele Synonyme benutzten. Erst später habe sich der Wortschatz vereinheitlicht und die Sprache präzisiert. Dafür sei die Erfindung der Schrift ein wichtiger Faktor gewesen.
- Die Schrift veränderte die anfangs emotionale und bildhafte Sprache drastisch. Sie sollte die Sprache festhalten, bewirkte aber ihre Veränderung. Die Schrift ist sachlich, präzise und logisch. Die Lautsprache passte sich daran an und übernahm diese Eigenschaften.
- Sie fragen sich vermutlich, wie nach Rousseau die unterschiedlichen Sprachen entstanden sind. Der Gelehrte nimmt unterschiedliche klimatische Bedingungen als Faktor. In den südlichen Ländern verlangten die Bedingungen weniger dringend einen Zusammenschluss der Menschen weil jeder allein überleben konnte. An sozialen Orten, wie Wasserstellen oder Brunnen, kamen die Menschen zusammen und entwickelten eine von Leidenschaften geprägte Sprache.
- In den nördlichen Ländern schlossen sich die Menschen wegen der harten Lebensbedingungen früher zu Gemeinschaften zusammen. Sie hatten keine Zeit und keine Kapazitäten, um eine Sprache zu entwickeln. Später wurde das Zusammenleben komplexer und die Sprache hielt im Norden Einzug. Sie war nicht von Leidenschaft und Schönheit geprägt, sondern nüchtern, praktisch, rau und exakt artikuliert, weil sie anderer Bedürfnisse diente als die Sprache im Süden.
Rousseau sah in der Sprache ein Symptom der Entwicklung des Menschen. Sie brachte Großes mit sich wie die Fähigkeit, zu dichten, Mitgefühl und Liebe auszudrücken. Gleichzeitig sah der Gelehrte den Sprachursprung in einer Abwendung vom reinen, unschuldigen Naturzustand des Menschen - zwei Seiten einer Medaille.
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