Albert Camus war neben seiner Tätigkeit als Autor, Publizierer und seiner philosophischen Auseinandersetzung auch einer der genialsten Bühnenautoren und zählt zu den wichtigsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. "Die Gerechten", sein viertes Stück, uraufgeführt im Jahre 1949, hat den Status der Pflichtlektüre im Französischunterricht und wirft für Heranwachsende die stets aktuelle Frage auf, was Gerechtigkeit ist.
Inhaltsangabe und Zusammenfassung von "Die Gerechten"
Albert Camus greift mit seinem Theaterstück "Die Gerechten" ein tatsächliches Ereignis der Geschichte Russlands auf. Seinen eigenen Gewissenskonflikt während seiner Tätigkeit für die Résistance überträgt er auf die im Jahre 1905 erfolgte Ermordung des Großfürsten Sergius.
- Der erste Akt des Stückes beschreibt das Treffen der Revolutionäre Annenko, Dora, Stephan, Woinow sowie Kaliajev. Sie besprechen die Planung des Attentates auf den Großfürsten Segej. Eine Bombe soll auf seine Kutsche geworfen werden, Kaliajev soll der Attentäter sein.
- Im zweiten Akt verfolgen Annenkov und Dora Kaliajev, der es nicht zuwege bringt, das Bombenattentat durchzuführen. Denn er sieht, dass die Neffen des Großfürsten ebenfalls mit ihrem Onkel in der Kutsche unterwegs sind. Ihm ist es nicht möglich, die Kinder zu töten. Als er in die Wohnung zurückkehrt, diskutieren die Anarchisten, wie nun weiter vorgegangen werden soll. Die Gruppe ist sich uneinig, ob die Ermordung der Kinder politisch zu rechtfertigen ist. Stephan stellt sich gegen Kaliajevs Entscheidung, die anderen sind seiner Meinung.
- Kaliajev und Dora sprechen im dritten Akt des Stückes "Die Gerechten" von dem Für und Wider eines politischen Mordes, der Ideale, die sie vertreten und der Gerechtigkeit, die mit allen Mitteln ihren Weg finden muss. Im Zuge dieses Gespräches wird klar, dass die beiden miteinander ein Verhältnis haben. Kaliajev beschließt, das Attentat doch auszuführen, tut dies auch nach zwei Tagen und wird daraufhin verhaftet.
- Der vierte Akt spielt im Gefängnis, wo Kaliajev nun ist. Er führt eine Diskussion mit einem Foka, einem anderen Gefangenen, dann mit dem Polizeidepartement-Vorsitzenden und schließlich mit der Großfürstin, der Frau des Ermordeten. Alle diese Gespräche drehen sich um die Frage, was unter Gerechtigkeit zu verstehen ist und ob Kaliajev sich als Mörder sieht. Er selbst tut dies nicht, denn er rechtfertigt seine Tat mit einem hehren Ziel. Auch akzeptiert er den Deal des Vorsitzenden nicht, seine Gruppe zu verraten, um damit sein Leben zu retten.
- Die anderen Gruppenmitglieder beraten im fünften und letzten Akt, ob sie von Kaliajev verraten wurden und erfahren schließlich von einem Informanten, dass Kaliajev erhängt worden ist, ohne seine Kameraden preisgegeben zu haben. Dora will daraufhin das nächste Bombenattentat durchführen, einerseits, um die Idee der Gruppe weiterleben zu lassen, andererseits, um im Tod mit ihrem Geliebten vereint sein zu können.
Interpretationsansätze zu Albert Camus Frage der Gerechtigkeit
- Rund 40 Jahre nach dem tatsächlichen Attentat auf den Großfürsten Sergej in Russland stellt sich Albert Camus in "Die Gerechten" der Frage, ob es in Kauf zu nehmen ist, wenn bei einem Attentat auf einen "Schuldigen" auch Unschuldige sterben.
- Eine echte Diskussion um die Rechtfertigung eines politischen Mordes, bei dem eben ein von der Gruppe ausgewählter Schuldiger als solcher schuldig gesprochen und von der Gruppe zum Tode verurteilt wird, stellt sich nicht wirklich. Albert Camus stellt zwar den Sinn politisch motivierter Anschläge infrage, verneint sie aber nicht grundsätzlich.
- Die Gegenüberstellung von Stephan, den man als kalten, herzlosen Hardliner bezeichnen könnte, und dem nachdenklichen Schriftsteller Kaliajev, der einen moralisch-ethischen Standpunkt vertritt, ist das Hauptthema des Stückes, das man durchaus auch als Diskussion um die Frage der sogenannten "Kollateralschäden" eines politischen Aktes sehen kann. Gerade heutzutage, wo militärische Invasionen in vielen Ländern durchgeführt werden und das Töten Unschuldiger nahezu kommentarlos zur Kenntnis genommen wird, ist die Idee hinter Camus Werk "Die Gerechten" von höchst aktueller Instanz.
- Auch Doras Rolle, die am Ende des Stückes sowohl für die Liebe als auch für die Ideologie sterben will, ist interessant zu analysieren. Hier wirft sich die Frage auf, welcher Beweggrund für sie tatsächlich vorrangig ist und auch, ob ein beabsichtigter Selbstmord (denn sie rechnet mit ihrer Verhaftung und Hinrichtung) moralisch akzeptabel ist.
Albert Camus war auch politisch aktiv
- Albert Camus wurde 1913 im heutigen Algerien geboren, seine Familie lebte dort schon seit drei Generationen.
- Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und bekam dank der Zusprache seiner Lehrer, die seine Begabung erkannten, die Möglichkeit zum Studium.
- Seine Erfolge mehrten sich und er gehörte zur intellektuellen Szene Frankreichs, wo er dann auch lebte.
- Die Rolle des Literaten genügte ihm aber nicht, er setzte sich kritisch vor allem mit philosophischen Fragen auseinander und war bemüht, sich als Journalist politisch zu betätigen, um seine Humanitätsansprüche, sein pazifistisches Denken und seine große Kritik an der Kolonialpolitik Frankreichs zu dokumentieren. Dennoch gelang es ihm nicht, sich in der Öffentlichkeit eine klare Position zu verschaffen, da es ihm aufgrund seiner hohen philosophischen Ansprüche nicht möglich war, sich einer wirklichen politischen Richtung anzuschließen.
- Im Jahre 1957 erhielt er den Nobelpreis für Literatur, als Begründung gab das Komitee seine Scharfsicht und seinen Ernst, die menschlichen Gewissensprobleme der heutigen Zeit zu schildern, an.
- Am 4. Januar des Jahres 1960 fand Albert Camus bei einem Autounfall bei der Fahrt nach Paris, bei der er Beifahrer war, den Tod.
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