Physische, funktionale, demografische und soziale Verstädterung
- Verstädterung ist nicht gleich Verstädterung. Tatsächlich unterscheidet man generell zwischen zwei Arten des Prozesses, der physischen und der funktionalen. Physisch meint dabei greifbar im Sinne von tatsächlich, wobei funktional eher als übertragende Verstädterung zu verstehen ist.
- Wachsen Städte in einer gegebenen Zeitspanne konstant und merklich, so ist vom physischen Prozess die Rede. Lässt sich das Wachstum vermehrt an zugezogenen Neubürgern einer Stadt registrieren, so handelt es sich ferner um eine demografische Verstädterung.
- Wachsen Städte nun nicht physisch, sondern entwickelt sich lediglich ein besseres Netz zwischen Stadt- und Landbevölkerung, so bezeichnet man jenes Phänomen als funktionale Verstädterung. Ferner lässt sich von einem sozialen Prozess sprechen, wenn ländliche Gegenden Verhaltensweisen und Lifestyle der Stadtbevölkerung übernehmen, sich in ihrem Konsumverhalten und ihrer Lebensart also an die Stadt anpassen.
- Der grundsätzliche Trend in der modernen Welt geht deutlich in Richtung Verstädterung. Nicht zuletzt liegt das daran, dass die Weltbevölkerung unaufhaltsam anwächst und die Lebenserwartung des Menschen konstant zunimmt. Kurzum: Um den Menschen unterzubringen, braucht es heutzutage deutlich mehr Raum als noch vor einigen Jahrzehnten.
- Zu unterscheiden sind von den oben beschriebenen Prozessen urbanisierende und metropolisierende Prozesse. So meint die Urbanisierung, dass sich im Zuge des Städtezuwachses auch Gesundheitssysteme, Institutionen, Versorgungsstrukturen und Infrastrukturen einer Gegend an die neuen Gegebenheiten anpassen.
- Bei Verstädterung muss dies nicht unbedingt der Fall sein, sodass verheerende Konsequenzen für die Bevölkerung entstehen und die Lebensqualität anders als bei der Urbanisierung drastisch absinkt.
- Metropolisierungen finden sich vor allem in Entwicklungsländern. So werden hier die Hauptstädte oft metropolisiert, um hinreichend als Zentrum für wirtschaftliche, kulturelle und regierungstechnische Prozesse dienen zu können.
Konsequenzen des Trends am Beispiel Kairos
- Der afrikanische Kontinent gilt als jener, auf dem sich die Verstädterung am deutlichsten bemerkbar macht - nicht zuletzt wegen der hohen Geburtenrate. So wachsen afrikanische Metropolen im Jahr um die 5 Prozent, soll heißen in nur 20 Jahren werden sie erwartungsgemäß doppelt so groß sein wie zum gegebenen Zeitpunkt.
- Am Beispiel des metropolisierten ägyptischen Wirschafts- und Kulturzentrums Kairo lässt sich auch der Verstädterungstrend des afrikanischen Kontinents mehr als deutlich nachvollziehen.
- So hat sich die städtische Bevölkerung Kairos innerhalb von nur dreißig Jahren beinahe verdoppelt, wobei auch der städtische Ballungsraum in jener begrenzten Zeitspanne auf die doppelte Größe angewachsen ist. Experten gehen dabei davon aus, dass jene physische und demografische Verstädterung längst noch nicht ihr Ende erreicht hat.
- Ja, es handelt sich im Falle von Kairo um Verstädterung und nicht um Urbanisierung, denn die Lebensqualität der Bevölkerung sinkt mit dem Prozess eher, als dass sie steigt. Wohnungsknappheit führt für viele Bürger zu untragbaren Lebenssituationen, so werden Häuser auf Häusern errichtet und eine Vielzahl der Stadtbewohner Kairos muss mit einem Leben auf den Dächern von eigentlichen Wohnhäusern zurechtkommen.
- An Kairos Slums, an seinen Umwelt- und Entsorgungsproblemen wie seinen Hungersnöten lassen sich nun die prototypischen Konsequenzen des Trends nachvollziehen. Die Bevölkerungsmasse ist längst nicht mehr in den Wohnblocks der Stadt unterzubringen, sodass es zu Degradierungen und Verelendungen kommt, nachdem Slums, Gettos und Notunterkünfte am Rande des eigentlichen Stadtlebens, oder in diesem Falle über ihm, Kairos Stadtbild prägen.
- Die Verdrängung einzelner sozialer Gruppen aus der eigentlichen Stadtgesellschaft führt zu einer Verelendung, die wiederum politische Instabilität zur Folge hat. Dabei ist Kairo bei Weitem nicht alleine. Dramatischerweise ist es nur ein einziges Beispiel von Dutzenden überall über den afrikanischen Kontinent verteilt.
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