Zu allen Zeiten gab es Menschen, die erheblich mehr wussten als andere. Es gab Spezialisten ihres Faches, aber auch universell hochgebildete Personen, die oftmals die geistige Führung ihrer Zeit innehatten und diese Zeit nachhaltig prägten. Die übrige Bevölkerung sah zu ihnen auf, da sie so umfassend gebildet waren, dass sie auf nahezu jedem Gebiet einen immensen Wissensvorsprung hatten. Von Universalgelehrten wird bereits seit vor unserer Zeitrechnung berichtet. Oft beginnt die Nennung mit Imhotep, einem ägyptischen Baumeister, dessen Bildung leider nirgends dokumentiert ist, dem aber umfassende Weisheit zugeschrieben wurde. Gemeinsam ist ihnen das vielseitige Wissen, welches sich nicht nur auf einige wenige Fachgebiete beschränkt, sondern aus vielen verschiedenen Disziplinen stammt.
Auswahl berühmter Universalgenies
- Aristoteles: Er war nicht nur in sehr vielen Wissensgebieten bewandert - unter anderem in Biologie, Physik, Staatstheorie, Logik, Dichtung und Ethik - sondern begründete sogar eigene Disziplinen und Theorien.
- Leonardo da Vinci war weniger Künstler als Wissenschaftler. Der Maler beschäftigte sich unter anderem mit Architektur, Naturwissenschaften, Anatomie, Technik, Astronomie und Wasserwirtschaft.
- Johann Wolfgang von Goethe: Der Dichter forschte zu vielen unterschiedlichen Themen und veröffentlichte auch wissenschaftliche Traktate. Kunst, Literatur und Naturwissenschaften wie Physik und Biologie gehörten zu seinem Repertoire.
- Gottfried Wilhelm Leibniz wird häufig als letzter Universalgelehrter bezeichnet. Er war Mathematiker, Jurist, Wissenschaftler, Historiker, Politiker und prägte mit seiner Philosophie den Geist seiner Zeit.
Frühere Universalgelehrte und ihre Ausbildung
Die septem artes liberales, die sieben freien Künste, waren im Unterschied zu den handwerklichen Künsten für den freien Mann gedacht, der nicht körperlich arbeiten musste. Sie standen im Ansehen höher als die mechanischen Künste.
- Der Kanon aus sieben Studienfächern sollte die umfassende Allgemeinbildung sicherstellen.
- Die septem artes liberales bestehen aus zwei Bestandteilen. Zu Beginn des Studiums musste das Trivium - der Dreiweg - absolviert werden. Er bestand aus den Fächern Dialektik, Rhetorik und Grammatik.
- Erst nach Abschluss des Triviums konnte das Quadrivium - der Vierweg - begonnen werden. In diesem wurden die Fächer Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie behandelt.
- Danach durfte der Absolvent auch Jura und Medizin, sowie Theologie als die damals als höchste angesehene wissenschaftliche Disziplin studieren.
- Die sieben freien Künste bieten ein breit gefächertes Wissen und stellten die Grundlage für einen Gelehrten dar, der sich aus dieser Basis heraus zum Universalgelehrten weiterbilden konnte.
Universalgelehrte heutzutage
- Frühere Universalgelehrte standen in dem Ruf, einen Großteil des in der Welt vorhandenen Wissens zu kennen und möglichst alles gelesen zu haben.
- Viele Gebiete waren damals noch nicht weit entwickelt und neue Publikationen waren eher selten.
- Definiert man den Universalgelehrten als eine Person, die auf allen Gebieten ein Spezialist ist und die gesamte verfügbare Literatur gelesen hat, dann ist dieses Ziel für die heutige Zeit undenkbar.
- Die Wissenschaften haben sich weiterentwickelt, es sind neue hinzugekommen und die Zahl der Publikationen steigt stetig an. Es ist unmöglich, innerhalb eines Menschenlebens auch nur einen Bruchteil dessen gelesen und erfasst zu haben.
- Dazu kommt, dass heutzutage weniger die Generalisten als viel eher die Spezialisten in der Berufswelt gefragt sind.
- 6 Doktortitel in verschiedenen Fächern, das kommt einem Generalisten doch schon ziemlich nahe. In Österreich gibt es einen solchen Menschen. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Dr. Norbert Heinel promovierte in Philosophie, Psychologie, Theologie, Musikwissenschaft, Pädagogik und Kunstwissenschaft.
So werden Sie zum Allrounder
- Universalgenie ist eine Definitionsfrage und außerdem von dem herrschenden Zeitgeist abhängig.
- Spezialisten sind zwar in der Überzahl, können aber zumindest innerhalb ihres eigenen Faches den Status des Generalisten erwerben. Als Beispiel können hier hoch spezialisierte Fachärzte genannt werden, die ihr Wissen auch auf andere Fachmedizinen ausweiten und so dem Generalistentum wieder einen Schritt näherkommen.
- Der Generalist ist der Universalgelehrte der Moderne.
- Schaffen Sie den Ausgleich! Wer in den Naturwissenschaften tätig ist, wird in seiner Freizeit vielleicht an den Geisteswissenschaften Gefallen finden und ein Philosoph sucht eventuell nach einer künstlerischen Herausforderung.
- Selektieren Sie! Die Masse an Wissen ist zu viel für ein Menschenleben, Sie können nicht alle Bücher gelesen haben und täglich kommen Tausende neue in die Buchhandlungen. Hilfe bei der Auswahl der relevanten Werke oder Tipps, was man wissen sollte, gibt der jeweilige Kanon des Faches. Er ist zwar nicht allgemein verbindlich, gibt aber einen Anhaltspunkt dessen, was zu einer umfassenden Allgemeinbildung gehört.
- Ein kleiner Trost: Ein Gelehrter mit einem Wissen von X galt in der Antike als Universalgelehrter. Verfügen Sie heute über genau das gleiche Wissen X wie dieser Gelehrte, so haben Sie lediglich eine gute Allgemeinbildung. Der Unterschied: Der Wissenschaftler von damals deckte mit seinem Wissen X einen Großteil des damals vorhandenen Wissens ab. Da das Wissen aber exponentiell gewachsen ist, haben Sie mit dem gleichen Wissen X heutzutage nur einen marginalen Anteil des heute vorhandenen Wissens.
Mit guter Allgemeinbildung ist es zumindest möglich, sich an dieses Ideal anzunähern. Lebenslanges Lernen ist unabdingbare Voraussetzung, denn die Weiterentwicklung des Wissens kennt keinen Stillstand.
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