Übergriffig und Grenzverletzung kann unterschiedlich sein
Wenn Sie das Gefühl haben, übergriffig behandelt zu werden, sollten Sie sich zunächst damit auseinandersetzen, was "Übergriffig" bedeutet. Im Gegensatz zur "Grenzverletzung" ist der "Übergriff", wie das Wort bereits ausdrückt, sehr gewaltig. Übergriffig bedeutet, über eine angemessene, zugestandene Handlungsweise hinaus, zuzugreifen. Diese Vorgehensweise kann, muss aber nicht immer, zu strafrechtlichen Folgen führen.
- Sehr oft wird das Wort "übergriffig" im Zusammenhang mit polizeilichen Aktionen verstanden, wenn Polizisten z. B. mehr Gewalt anwenden, als ihnen berufsmäßig zugesprochen wird. Auch im sexuellen Bereich spricht man von "Übergriffig", wenn der Täter sein Opfer gewaltsam bezwingt. In diesen beiden Bereichen wird der Begriff "Übergriffig" im Allgemeinen sehr schnell als "bewusstes, gewaltsames Übergreifen" verstanden.
- Im Gegensatz dazu kann eine Grenzverletzung zwar auch bewusst herbeigeführt werden, jedoch geschieht sie in der Regel unbewusst. Grundsätzlich bezieht sich die zwischenmenschliche "Grenzverletzung" auf das Überschreiten der persönlichen Intimsphäre. Zum Teil werden Grenzüberschreitungen toleriert, wenn räumliche Enge (z. B. in einem Fahrstuhl) die distanzlose Nähe zweier Menschen erfordert. Hingegen kann eine distanzlose Haltung (z. B. beim "Schlange stehen" vor der Kasse) auch sehr bewusst provoziert sein.
- Beide Verhaltensweisen, ob übergriffig oder grenzverletzend können auf verschiedenen persönlichen, wie auch sozialen Ebenen stattfinden, z. B. körperlich, psychisch, kompetenzorientiert.
- Grenzverletzendes Verhalten findet man nicht selten im Bereich beruflicher Führungs-, Handlungs- und Managementkompetenz. Dringt man in den Grenzbereich einer Person bewusst ein, um anstelle der Person zu handeln, so ist das nicht nur respektlos, sondern ähnelt fast einer "Entmündigung" im Bereich der übernommenen Handlungen und Entscheidungen.
- Neben dem körperlichen Übergriff gibt es auch den psychischen und Kompetenz absprechenden Übergriff. D. h. in dem Moment, in dem sich jemand bewusst bemächtigt, übergriffig Aufgaben, Entscheidungen und Handlungen eines anderen zu übernehmen, ignoriert und missachtet er sein Gegenüber nicht nur, sondern "vergewaltigt" diesen.
- Der Übergang von einem grenzverletzenden zum übergriffigen Verhalten kann nur durch bewusstes Wahrnehmen erkannt werden. Werden Sie sich daher bewusst, inwieweit Sie selbstbestimmend Ihr Leben führen.
Lernen Sie, sich zu behaupten
- Beginnen Sie, auf sich zu achten. Das soziale Miteinander wird immer wieder Kompromisse einfordern, die innerhalb einer Beziehung (beruflich, privat, sozial) durch Kommunikation zu klären sind. Dennoch muss es Ihnen möglich sein, persönliche Handlungen, Vorhaben, Kompetenzen, Denkweisen nach eigenem Ermessen zu leben. D. h. werden Sie aufmerksam, wenn jemand beginnt, für Sie zu bestimmen und dadurch in die Grenze Ihrer Handlungskompetenz eindringt.
- Sprengen Sie alte, eingefahrene Erziehungsmuster. Eltern wünschen ihren Kindern in der Regel nur das Beste und lehren aus eigener Biografie, was richtig und falsch ist. Wenn Sie spüren, durch bestimmte Erziehungsmaßstäbe eingeengt zu sein, sprechen Sie mit Ihren Eltern darüber, notfalls suchen Sie eine Gesprächstherapie auf, um sich aus "übergriffigen, psychischen Fesseln" zu befreien. Angemerkt sei hier, dass eine solche Gesprächstherapie nichts mit Erkrankung zu tun hat, sondern wie eine Supervision hilft, Beziehungsfallen zu erkennen.
- Behalten Sie sich Ihre berufliche Entscheidungen vor und weisen Sie distanzlose, übergriffige Kollegen mit klaren Worten auf ihr nicht tragbares Verhalten hin. Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie benötigen und die der Situation angemessen ist, Ihre beruflichen Aufgaben zu erfüllen, ohne sich von Kollegen unter Druck setzen zu lassen. Verbieten Sie kumpelhaftes, körperliches Zugreifen auf Ihre Person und erst recht sexuelle Übergriffe. Besonders sexuelle Distanzlosigkeit sollten Sie sofort an oberster Stelle melden.
- Achten Sie in Ihrem Lebensumfeld darauf, Ihre eigenen Räumlichkeiten zu haben und das diese nicht einfach, ohne zu klopfen geöffnet werden. Verbieten Sie z. B. das Eintreten in den Duschraum, wenn Sie ihn gerade benutzen. Sehen Sie sich als eingenständiges Individuum, das Sie sind, dem ein intimer Lebensraum zusteht. Verteidigen Sie diesen Lebensraum gegen Distanzlosigkeit, damit es erst gar nicht zu übergriffigem Verhalten Ihrer Mitmenschen kommt.
- Zeigen Sie psychische und körperliche Gewalttaten gegen Sie an. Wenn Ihnen noch der Mut fehlt, was in vielen Fällen sehr verständlich ist, suchen Sie Hilfe bei verschiedenen Institutionen, wie z. B. Polizei, Männer-, Frauen-, Jugend- und Kinderberatungsstellen, die sich über das Internet oder verschiedene, örtlich ansässigen Caritas-, Arbeiterwohlfahrt- oder anderen, städtischen Wohlfahrtsverbänden ausfindig machen lassen.
Weiterlesen:
Wie hilfreich finden Sie diesen Artikel?