Typischer Mann, typische Frau
Ob die Frau hinter den Herd gehört oder nicht, ist heute eine Streit- und häufig bereits Scherzfrage. Früher war es eine Tatsache. Betrachtet man die Gesamtgeschichte der Menschheit, war der Mann viele Jahrhunderte lang derjenige, der das Sagen hatte. Die Gründe dafür sind vielfältig und ergeben sich aus frühen gesellschaftlichen Entwicklungen, einer frühen Etablierung des sogenannten Patriarchats sowie einer Verunglimpfung des Weiblichen, die sich sogar in der Bibel findet: Dort ist es die schwache Eva, die sich erst verführen lässt und dann Adam zur Sünde verführt, weshalb beide aus dem Paradies vertrieben werden. Dieses Bild von der lüsternen, unberechenbaren und auf ihre Art gefährlichen Frau festigte sich übers Mittelalter und sorgte für Mythen wie dem Mythos von der Gebärmutter, die durch den Körper wandert, sich im Hirn verbeißt und zu Hysterie führt. Kurzum: Frauen galten lange Zeit noch nicht einmal als zurechnungsfähig. Erst langsam, über die Aufklärung bis hin zur Moderne, verbesserte sich ihr allgemeiner Status. Doch noch Anfang des 20. Jahrhunderts durften die Frauen in Deutschland noch nicht einmal wählen. Was ist seitdem passiert?
Das Ende der klassischen Rollenverteilung
- Anfang des 20. Jahrhunderts bildeten die sogenannten Suffragetten die erste große Frauenbewegung. Sie setzten sich für das Wahlrecht ein (Suffrage = Englisch für "Wahlrecht") und lösten damit eine regelrechte Welle aus. 1919 durften auch die deutschen Frauen erstmalig wählen.
- Dies war ein erster Schritt in Richtung Gleichberechtigung. Der zweite Schritt war sicherlich das Engagement der sogenannten Trümmerfrauen, die in den beiden Weltkriegen zu Hause die Stellung hielten und gar beim Wiederaufbau halfen.
- Doch mit dem Wirtschaftswunder kam die Rückkehr zur alten Traditionalität. Wie bereits im Dritten Reich, nur weniger propagandistisch, wurde die Frau hier in die Rolle der Mutter und Hausfrau gedrängt. Dies wurde unter anderem durch die Medien bestärkt, vor allem durch die Werbung der Fünfziger, die adrette, schicke, glückliche Frauen in der Küche zeigte.
- Ende der Sechziger war mit diesem Rollenbild Schluss. Im Zuge der Studentenbewegung organisierten sich auch Frauen und forderten Veränderung in der angestaubten Gesellschaft. Vor allem das Recht auf Abtreibung wurde damals zum Mittelpunkt der Diskussion.
- 1971 machte der Stern durch die Kampagne "Mein Bauch gehört mir" öffentlichkeitswirksam darauf aufmerksam. Doch natürlich beschäftigten auch andere Themen die damalig als "Emanzen" bezeichneten Frauenrechtlerinnen. Sie forderten ganz klar, in jeder Hinsicht, also in Bildung, Beruf, Gehalt und Familie, mit dem Mann gleichgestellt zu sein.
- Damit hatten sie auch Erfolg. Durch Koryphäen wie Alice Schwarzer und viele Anhängerinnen, die nicht mehr bereit waren, das Bild der typischen Rollenverteilung von Mann und Frau zu erfüllen, hielten die darauf folgenden Jahrzehnte viele Umstürze bereit.
- Mädchen, die in den späten Achtzigern geboren worden sind, berichten heute häufig, noch nie mit Geschlechterdiskriminierung in Kontakt gekommen zu sein. Dies ist sicherlich eine Errungenschaft der zweiten Welle der Frauenbewegung aus den späten Sechzigern.
- Natürlich gibt es aber auch heute noch Diskrepanzen. So verdienen Männer, die die gleichen Berufe wie Frauen ausüben, häufig immer noch mehr und der Vater, der zu Hause bleibt und auf die Karriere verzichtet, ist nach wie vor eine Ausnahme. Dennoch hat sich gesamtgesellschaftlich Beachtenswertes getan.
Der Weg in die Männerkrise
Wenn es um die typische Rollenverteilung geht, darf man die Thematik nicht nur aus der Sicht der Frau betrachten. Denn wenn sich das Verhalten der Frau ändert, betrifft das natürlich auch den Mann. Kurz zusammengefasst hat sich daraus folgende Entwicklung ergeben:
- Nach den Revolten der 68er wollten viele Frauen ihre neu gewonnenen Rechte auskosten. Zahlreiche Ehen gingen darüber in die Brüche, es etablierte sich aber auch sonst mehr und mehr das Bild der eigenständigen, alleinerziehenden Frau.
- So spricht man von den heute um die 30-Jährigen auch als der "vaterlosen Generation", weil dort erstmalig sehr viele Kinder nur mit der Mutter aufgewachsen sind. Den Jungen fehlte es dadurch an einem männlichen Vorbild und auch sonst mussten sie miterleben, dass Frauen und Mädchen in vielen Bereichen ihre Aufgaben übernahmen oder auch machen wollten.
- Und so kam es zu dem, was Soziologen heute die Krise der Männlichkeit nennen. Der moderne Mann hat kein festes Rollenverständnis mehr und fühlt sich unsicher. Er glaubt, durch die gewachsenen Anforderungen der Frau, dass er alles zugleich sein muss: guter Vater, zärtlicher Liebhaber, zupackender Ehemann, Tütenträger, Geldverdiener, Hausmann, Koch und Putzkraft.
Durch die daraus entstehende Verunsicherung hat sich das Bild des "weinerlichen" Mannes etabliert, was eine aufsehenerregende Entwicklung zur Folge hat.
Der Dritte-Welle-Feminismus
- Seit Mitte der 2000er Jahre etabliert sich mehr und mehr ein neuer Feminismus. Seine Vertreterinnen sehen sich als in der Gleichberechtigung angekommen und als selbstbewusst genug, sich den richtigen Mann zurückzuwünschen.
- Nach dem Motto "starke Frauen brauchen starke Männer" werden die Zöglinge der vaterlosen Generation hier hemmungslos durch den Kakao gezogen. Die Frau zeigt sich als selbstbewusst und sexuell offen (das Buch "Feuchtgebiete") und will einen Mann, der es mit ihr aufnehmen kann. Softies und Frauenversteher sind nicht mehr gefragt. Doch was geht daraus hervor?
- Erstaunlicherweise eine partielle Rückkehr zum traditionellen Familienbild. Zahlreiche Frauen ziehen sich heute freiwillig ins Hausfrauendasein zurück, um dem Mann die Rolle des Familienoberhauptes zu überlassen, einfach, weil sie das anziehender finden.
- Frauenrechtlerinnen der alten Schule betrachten diese Entwicklung natürlich mit Sorge. Doch es ist keinesfalls so, dass sich die jungen Frauen wieder unterbuttern lassen. Und ob der moderne Mann durch freiwilligen Rückzug der Frau wieder zum "Alphamännchen" wird, ist aus wissenschaftlicher Sicht ebenfalls fraglich.
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