Die Ursprünge der Spießer oder Spießbürger
Die Bezeichnung “Spießer” hat ihren Ursprung im Mittelalter.
Damals war es die Aufgabe der Bürger, ihre Stadt zu verteidigen. Dabei waren als Waffen aber nur Spieße erlaubt, da Schwerter dem Adel vorbehalten waren. Auch wenn diese sogenannten Spießbürger zunächst von oben herab betrachtet wurden, stellte sich bald heraus, dass die Spießer den adligen Rittern in ernsten Gefechten durch die Reichweite ihrer einfach und günstig herzustellenden Waffen überlegen waren. Fußtruppen aus Spießern gewannen in den Kriegen schnell an Bedeutung, da sie große Erfolge erzielten.
Die Bedeutung als Soldaten schwand zwar im Laufe der Zeit,die Bezeichnung “Spießer” für einen Teil des Bürgertums blieb aber. Gemeint ist damit heute ein Teil der Kleinbürger und der Mittelklasse, der im Grunde dadurch negativ auffällt, dass er eben nicht auffallen will. Anpassung ist für Spießer wichtig. Sie wollen mit der “Obrigkeit” nicht aneinandergeraten. Ordnung und Unauffälligkeit haben große Bedeutung, während neue Ideen mit Misstrauen und Ablehnung betrachtet werden.
Das dazugehörige Adjektiv ist “spießig”. In der Regel beschreibt das Wort etwas abwertend Menschen, die als engstirnig und gedanklich unbeweglich angesehen werden.
Entwicklung der Bedeutung
Ausgehend von der 68er-Bewegung, für die Spießer genau das engstirnige Weltbild verkörperten, das unbedingt geändert werden sollte, verändert sich die Bedeutung der Bezeichnung inzwischen. Unruhige Zeiten wecken das Bedürfnis nach Ruhe und eher bürgerlichen Werten. Spießer gilt heute nicht mehr unbedingt als Schimpfwort.
Unter spießig werden heutzutage vielmehr etwa Personen verstanden, die in ihrer eigenen Kleinbürgerschaft leben und dem gängigen Lebenskonzept entsprechen. Dazu gehören u. a. die Kleidung (hochgeschlossen und formell), aber auch die Behausung (Gardinen und Gartenzwerge).
Doch neben solchen optischen Äußerungen der Spießigkeit kann auch die Lebensführung als spießig bezeichnet werden. Dazu gehört beispielsweise das allgemein für "normal" befundene Lebenskonzept von Haus, Ehe, Kind und Hund.
Die Interpretation davon, was spießig letztlich bedeutet, ist jedoch von Person zu Person unterschiedlich.
Die Bedeutung des Spießertums in der Literatur
Bei Charles Dickens war die Bedeutung der Spießer nicht durchweg negativ gemeint. Seine Spießer sind eher konservative Bürgerliche, die ihre Familie schätzen und oftmals einfach nur ihre Ruhe haben wollen. Das macht sie oberflächlich, denn für sie ist nur ein recht kleiner Teil der Welt um sie herum von Bedeutung.
Verachtet werden sie hingegen von Schriftstellern wie Ödön von Horváth. Er zeichnet im "Der ewige Spießer" kein so mildes Bild der Spießer. In seiner Bedeutung sind sie egoistisch, heuchlerisch und durch ihre Engstirnigkeit durchweg negative Menschen.
Der amerikanische Spießer wird von Sinclair Lewis in seinem Roman "Babbitt" beschrieben. Gefangen in den festgelegten Ritualen einer fiktiven amerikanischen Stadt namens "Zenith" versucht die Hauptfigur zwar, dem Spießertum zu entkommen, scheitert aber. Am Ende ist Babbitt der gleiche, kleinbürgerliche und angepasste Mensch, der er zu Anfang war.
Grundsätzlich sind Spießer keine Sympathieträger, werden sie in der Literatur oder der Kunst dargestellt. Oft besteht ihre Bedeutung darin, als negativer Gegensatz zu den vom Künstler natürlich höher angesiedelten Tugenden wie Kritik oder Veränderung zu stehen.
Ein wenig Spießertum muss nicht immer schlecht sein. Wie viel jeder davon verträgt, ist eine ganz individuelle Einschätzung und es wäre spießig, sich ein allgemeines Urteil darüber zu erlauben.
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