Die Schafskälte ist zunächst einmal ein interessantes Phänomen für die Menschen, die neugierig auf wissenschaftliche Eigenheiten sind.
Was ist die Schafskälte und wie lange dauert sie?
- Die Schafskälte ist nämlich eine sogenannte meteorologische Singularität.
- Als Singularitäten (vom lateinischen singularis = einzigartig, also am besten als Einzigartigkeiten zu übersetzen) werden in der Wissenschaft der Meteorologie besondere, eigenartige Witterungen bezeichnet, die sich mit einer bestimmten Regelmäßigkeit zeigen.
- Diese besonderen Wetterlagen müssen sich deutlich vom normalen Verlauf des Wetters zur gegebenen Jahreszeit unterscheiden, müssen jedes Jahr mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein und müssen sich auf einen bestimmten Zeitabschnitt im Jahr begrenzen.
- Die Abweichung kann die Temperatur, den Niederschlag oder andere Wetterelemente betreffen, und es handelt sich nur um eine Singularität, wenn die Abweichung in einer langjährigen Beobachtung im Mittel bleibt (wenn sie unvorhergesehen ist und aus dem Mittelwert ausschert, nennt der Meteorologe das dann eine Anomalie).
- Die Schafskälte beschert uns kurz vor Sommeranfang mit ziemlicher Regelmäßigkeit einen Kälteeinbruch, bei dem vom Westen bzw. Nordwesten feuchte und kühle Lust kommt, die die Temperaturen zwischen 5 und 10 Grad sinken lässt.
- Leicht gemein daran: Der Kälteeinbruch betrifft eigentlich den ganzen mitteleuropäischen Raum, wirkt sich aber gewöhnlich vor allem in Deutschland aus, die Schafskälte ist sozusagen "unsere Kälte".
- An ein genaues Datum hält sich dieser Kälteeinbruch (wie die meisten Wetterprognosen) natürlich nicht, der Beginn liegt statistisch zwischen dem 4. und dem 20. Juni.
- Ebenso ungewiss ist, wie lange es kalt bleibt, es kann zwischen ein paar Tagen bis zu zwei Wochen unwirtlich bleiben, zum Sommeranfang am 21. Juni wird es dann wohl auf jeden Fall wieder warm.
- Grund für das Entstehen dieser Kälte ist, dass sich Land und Meer unterschiedlich schnell erwärmen: Mitte Juni ist die Landmasse schon recht warm, das Meerwasser aber noch ziemlich kalt. Dadurch entwickelt sich sehr häufig ein Tiefdruckgebiet über Europa, das vom (Nord-) Westen polare Kaltluft zu uns trägt.
- Weil dazu Voraussetzung ist, dass sich die üblicherweise vorherrschende Windrichtung (aus dem Südwesten) dreht, und weil über Indien immer zur gleichen Zeit eine ähnliche Umstellung der Luftdruckverteilung (der Monsun) beobachtet wird, nennen die Meteorologen die Schafskälte manchmal auch "Europäischen Sommermonsun".
- Die Kälte muss uns nicht jedes Jahr ärgern, aber die Wahrscheinlichkeit ist nicht ganz gering: Eine über 66 Jahre durchgeführte Auswertung ergab, dass die Schafskälte zwischen 1881 und 1947 zu fast 90 Prozent bei uns zu "begrüßen" war.
Was uns die Schafskälte heute noch "schert"
Doch die Schafskälte und die Frage, wie lange sie dauert, hat durchaus auch heute noch für nicht wenige Menschen eine Relevanz im Alltag:
- Bereits der Name weist darauf hin, wen die Schafskälte bei uns auf jeden Fall ärgert: Die Schafe, die üblicherweise an den ersten warmen Tagen nach den Eisheiligen (Mitte Mai) geschoren werden, weil der Wollschweiß an warmen Tagen die Schur erleichtert und die Schafe vor der Sommerhitze vom "Pelz" befreit werden sollten.
- Hoch tragenden Muttertieren und zarten Lämmern könnte ein solcher Kälteeinbruch schaden, wenn sie bereits ohne Fell dastehen, in Höhenlagen bringt die Schafskälte durchaus auch Schnee mit sich. Für die empfindlichen Tiere in der Herde darf der Schafscherer also nach den kalten Tagen eine Sonderschicht einlegen.
- Wenn Sie jedoch nicht zu den Schafhaltern, sondern eher zu den "arbeitenden Schafen" gehören, kann die Schafskälte für Sie auch Bedeutung haben: Wenn Sie nämlich auf dem Balkon oder im Garten ein kleines Paradies pflegen, in dem Sie auch ungewöhnliche Pflanzen aufziehen möchten.
- Denn viele dieser bei uns nicht alltäglichen Pflanzen sind eigentlich im Süden beheimatet, sie werden bei 5 Grad zwar noch nicht eingehen, könnten aber doch in einer Art und Weise frieren, die dem Blüten- oder Fruchtansatz einen Schlag verpasst.
- Der fürsorgliche Balkongärtner gönnt deshalb seinen Anfang Juni gerade zu großer Form auflaufenden Chilis während der kalten Tage eine Kunststoffhaube, die auch den letzten Sonnenstrahl in seiner Wirkung noch ein wenig unterstützt.
Von unserem Wetter kennen wir übrigens noch einige andere Singularitäten, meist bescheren sie uns mehr Kälte, wenn uns sowieso kalt ist und mehr Wärme, wo wir diese nicht gebrauchen können: Märzwinter und Eisheiligen, Hundstage und Weihnachtstauwetter. Nur Altweibersommer und Martini-Sommer sind erfreuliche Wetterabweichungen, die uns mit freundlichem Wetter verwöhnen.
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