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Rhythmische Deklamation - so gelingt ein Rezitativ

Am Psalter können Sie Deklamation üben
Am Psalter können Sie Deklamation üben
Ein Rezitativ nähert den Gesang dem Sprechen an und ist insbesondere in der klassischen Musik weit verbreitet. Deklamationen sind nicht nur rhetorische Übungen, durch die der Redner seine Ansprache besonders effektvoll vermitteln soll. Der Begriff bezeichnet auch die Technik in denen eine Rede oder ein Rezitativ vorgetragen wird. Rhythmische Deklamation bezeichnet eine Deklamation, die in einer bestimmten zeitlichen Struktur präsentiert wird.

Rhythmische Deklamation und rhythmisches Deklamieren

  • "Wer reitet so spät durch Nacht und Wind, es ist der Vater mit seinem Kind." Wer kennt die Eingangszeile aus Goethes "Erlkönig" nicht? Oder "Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde! Es war getan fast eh gedacht;" aus dem Gedicht "Willkommen und Abschied". Beide Gedichte beziehen ihre Spannung, ihre Dramatik aus Rhythmus. Der Vater reitet im "Erlkönig" und das Herz schlug und man rennt zu den Pferden im "Willkommen und Abschied".
  • Hier muss die Deklamation eine rhythmische sein. Rhythmische Deklamation gibt es aber auch und insbesondere in der Musik. Einerseits als rhythmische Deklamation im Sinne eines fast gesprochenen Vortrags und andererseits als melorythmische Deklamation. Hier sollen auch die Tonhöhen variiert werden. Für beide ist jedoch gleichermaßen wichtig, dass es auf das richtige Betonen der Silben ankommt.
  • Hören Sie sich einmal eines der schönsten Stücke der Romantischen Liedliteratur an. Die Winterreise von Franz Schubert. Das erste Stück "Gute Nacht" beginnt mit "Fremd bin ich eingezogen...". Wie tragen Sie dieses nun vor? Sie können gleich die erste Silbe betonen "FREMD bin ich eingezogen...". Das "Fremd" wird betont. In der Tat wird es das, doch hat dies nichts mit dem Metrum des Stückes zu tun. Genauso verhält es sich mit dem "zo" von "eingezogen". Manche Worte dort führen in rhythmischer Hinsicht ein regelrechtes Eigenleben.
  • Das Metrum wird im Lied einerseits durch Taktarten, andererseits durch melodische Höhepunkte bestimmt. Für Ihren Vortrag als Deklamation sollten in erster Linie die Takte wichtig sein. Ihnen kommt hier die Aufgabe zu, Sätze und Worte so auf die Taktwerte zu verteilen, dass einerseits der Vortrag nicht unnatürlich wirkt, andererseits die Taktierung eingehalten bleibt.

Deklamation mit dem richtigen Übungsmaterial

  • Eine besondere Übungsmaterie bietet die Bibel. Die Psalmen und das Hohelied sind genau solche zum Vortrag bestimmten Texte. Sie sollten ursprünglich nicht nur gesprochen, sondern auch gesungen werden. Wenn Sie einmal bei einem Gottesdienst in einer Synagoge zu Gast sind, werden Sie das merken. Auch der Qur'an soll rezitiert werden, in bestimmter Betonung und genauer Aussprache. Der Verfasser durfte einmal bei einem Rezitationskurs zusehen.
  • Nutzen Sie solche Texte, insbesondere die Psalmen in deutscher Übersetzung. Wie Joachim Ernst Berendt angemerkt hat, handelt es sich dabei um nichts anderes als Mantras. Diese sollen durch beständige Rezitation beruhigend und focussierend wirken. Sie könnten das nicht, wenn sie nicht fließen würden. Fließen heißt, flüssig rezitiert würden. Flüssig rezitiert werden heißt, metrisch. Metrisch heißt mathematisch korrekt.
  • Dazu müssen Sie auch korrekt atmen. Wenn Sie den Film "The Kings Speech" gesehen haben, werden Sie auch gesehen haben, wie lange der Weg erst einmal war, bis mit dem wirklichen Sprechen angefangen werden konnte. Entspanntheit ist wichtig, ein sicherer Stand ist wichtig. Ihre Beine sollten Sie in diesem Moment als Ihre Wurzeln ansehen, wegen derer Sie nichts umwerfen kann.
  • Atmen Sie tief und regelmäßig. Nichts wirkt schlimmer auf eine Deklamation als verschluckte Wörter und verhuschte Silben. Viele Stotterer atmen einfach falsch. Versuchen Sie es mit Meditation. Meditation heißt zentrieren. Sie konzentrieren sich auf Ihr Innerstes und atmen dabei einfach weiter. Sie werden ruhig und die Luft kann besser fließen und Ihre entspannten Stimmbänder ins vibrieren bringen.
  • Haben Sie Mut zur Lautstärke. Eine tragende Stimme ist das A und O eines gelungenen Vortrags. Später, wenn Sie ein Rezitativ vortragen, müssen Sie ohnehin laut sein. Warum also nicht schon einmal üben? Denken Sie daran, dass Sprechen und Singen einander engstens verwandt sind. Sollen Sie sprechend Deklamieren, sollten Sie auch einmal singen um ein besseres Gefühl für die Rhythmik zu bekommen. Sollen Sie aber die rhythmische Deklamation wie sie bei Monteverdi, Schubert oder anderen musikalischen Meistern vorgesehen ist, erlernen wollen, so sollten Sie erst einmal im Taktmaß sprechen. Laut und deutlich. Langsam und ganz entspannt.
  • "Rhythmische Deklamation" ist ein Begriff der in der Musikwissenschaft Verwendung findet, dennoch können Sie rhythmische Deklamation nicht nur in diesem Bereich finden. Die Eingangs genannten Beispiele von Goethe sollen auch rhythmisch deklamiert, also nach allen Regeln der Vortragskunst vorgetragen werden. Wenn der Begriff der rhythmischen Deklamation in dieser weiten Auffassung präsentiert wurde, so geschah dies, um rhythmische Deklamation bei Gedichtrezitation von rhythmischer Deklamation im musikalischen Sinne abgrenzen zu können und in dieser Hinsicht Missverständnisse zu vermeiden.
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