Sind Sie auch fasziniert von der Idee, dass Religion weit mehr als nur Kirchengang und Gebete-Rezitieren ist? Dass mehr dahinterstecken muss, als nur Gebote zu befolgen und sich Verboten zu beugen? Der evangelische Theologe und Religionsphilosoph Paul Tillich hat sich sein Leben lang mit diesen Fragen beschäftigt und ist zu dem Schluss gekommen, dass Religion das sei, was jeden einzelnen Menschen "unbedingt" angeht.
Sinnfragen sind, was jeden Menschen unbedingt angeht
Mit der Frage, was Religion denn nun eigentlich ist, beschäftigt sich nicht nur nahezu jeder einzelne Mensch, sondern auch Philosophen aller Zeiten haben diese Frage zum Kern ihres Schaffens gemacht und herauszufinden versucht, was das Denken unbedingt angeht.
- Der protestantische Theologe Friedrich Schleiermacher definierte Religion im 18. Jahrhundert als den „Sinn und Geschmack für das Unendliche“, womit er feststellte, dass (fast) jede Religionsrichtung an die Unendlichkeit im Sinne von einem ewigen Kreislauf des „Kommens und Gehens“ glaubt und dies in abgewandelter Form in ihre religiösen Schriften einbaut.
- Karl Marx sagte, dass „Religion Opium für das Volk“ sei. Er interpretierte Religion als eine Droge, die dem Volk von den Herrschenden gegeben werde, um sie im Diesseits gefügig zu machen, da das Jenseits sie dann erst belohnen und frei machen werde.
- Der deutsch-amerikanische Philosoph Erich Fromm beschrieb Religion als sozial und kulturell vereinheitlichendes und verbindendes Element. Sein Satz, Religion sei „jedes System des Denkens und Tuns, das von einer Gruppe geteilt wird und dem Individuum Orientierungsmaßstab und einen Gegenstand der Hingabe bietet“ erklärt, welchen moralischen Stellenwert eine Religion innerhalb einer Sozietät hat.
- Hermann Lübbe, Professor für Philosophie und politische Theorie, kam zur Erklärung, Religion sei „die Kultur des rationalen Verhaltens zum Unverfügbaren“, womit er die verstandesmäßige „Erklärung des Unerklärbaren“ meinte.
- Und Paul Tillich schließlich prägte den Satz, dass „Religion im weitesten und tiefsten Sinne des Wortes das ist, was uns unbedingt angeht“. Mit dieser Unbedingtheit meint er, dass jegliche Sinnfrage des Lebens, die sich ein Mensch stellt, zwangsläufig und unbedingt (im Sinne von unabdingbar) eine religiöse Frage sei, eine Frage nach dem Kern des Lebens und somit der Religion an sich sei.
Paul Tillichs Denken über Religion ist zeitlos
- Paul Tillich, der mit seiner Aussage „Religion ist im weitesten und tiefsten Sinne das, was uns unbedingt angeht“ einen der meistzitierten Merksätze über Religionsphilosophie machte, wurde am 20. August des Jahres 1886 im heutigen Polen geboren.
- Nach seiner Promotion in Theologie im Jahre 1911 brach kurz darauf der Erste Weltkrieg aus, dessen erschütterndes Grauen er als Feldgeistlicher hautnah miterlebte.
- Während der Weimarer Republik engagierte er sich führend beim „Bund religiöser Sozialisten“, was dazu führte, dass er 1933 aufgrund des steigenden Druckes der Nationalsozialisten suspendiert wurde und in die USA emigrierte.
- In New York lehrte er bis zum Jahre 1955 am „Union Theological Seminary“, dann wechselte er für sieben Jahre als Universitätsprofessor an die „Harvard University“. Ab 1962 unterrichtete er an der Chicagoer Universität; diese Position hatte er bis zu seinem Tode im Jahre 1965 inne.
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