Inhalt - Ismaels Ich-Erzählung von der Schifffahrt
Erzählt wird Melvilles Moby Dick von dem intradiegetischen Ich-Erzähler Ismael, der als Matrose auf dem Walfangschiff Pequod angeheuert hat.
- Kapitän Ahab macht sich mit seiner Mannschaft auf die Suche nach dem Pottwal, der ihm einst das Bein genommen hat. Seine Suche wird von seinen blinden Rachegelüsten motiviert und endet in einer schicksalshaften Begegnung.
- Ein Großteil der Romanhandlung beschreibt die Techniken des Walfangs und Ahabs blinde Rache-Tötungen. Doch auch die Mannschaft, ihre Beziehung untereinander und ihre Einstellung zu den Geschehnissen wird in Ismaels Ich-Erzählung wiedergegeben.
- Auf der Suche nach Moby Dick trifft die Pequod immer wieder auf andere Schiffe, sodass auch die Interaktion mit jenen in großen Teilen handlungsmotivierend und besonders relevant wird. Zuletzt führt der Dialog mit einem anderen Schiff Kapitän Ahab zu Moby Dick.
- In einem erbitterten Kampf mit dem Wal wird Ahab unter Wasser gerissen. Das Tier versenkt schließlich das Schiff. Nur Ismael kann sich aus den Fluten retten. Er findet auf einem Sarg Platz, der für einen erkrankten Seemann gebaut wurde und als Vorausdeutung für die bevorstehenden Ereignisse interpretiert werden kann.
Wie Sie sehen, lässt die Handlung des Romans sich in schockierend wenigen Worten zusammenfassen. Das wiederum liegt daran, dass Melville die innere Handlung, Milieuschilderung und Stimmung bis zum Ende der Geschichte vor die äußeren Geschehnisse gestellt hat.
Charaktermetaphern - Ismael, Queequeg, Kapitän Ahab und Steuermann Starbuck
Die Charaktere von Hermann Melvilles "Moby Dick" sind allesamt als Metaphern zu interpretieren. Dies fängt bereits bei Erzähler Ismael an.
- Seine Motivation, aufs Meer zu fahren, ist die Realitätsflucht. So lässt Melville Ismael selbst beschreiben, er sei nicht auf die Seefahrt angewiesen, sondern entscheide sich dafür, weil er das Leben auf dem Festland kaum ertragen könne, da ihn ständig eine unbestimmbare Sehnsucht ergreifen würde. Heute geht man davon aus, dass Melville hier seine eigene Künstlersehnsucht verarbeitet hat.
- Zusammen mit Zufallsbekanntem Queequeg, den Melville als symbolisches Idealbild der rohen Freiheit und Ungebundenheit angelegt hat, heuert Ismael auf dem Walfängerschiff von Ahab an.
- Auf dem Weg zum Schiff begegnen beide dem mysteriösen Elijah. Hier hat Melville Vorausdeutungen auf das nahende Unheil integriert. Außerdem kann Elijah als eine Referenz auf die Bibel ausgedeutet werden, in der Elias den Gegenpol zu dem gottlosen König Ahab bildet.
- Ahab schließlich wird als charismatischer und überzeugender Kapitän porträtiert, der in seinem blinden Hass den Bezug zur Welt verloren hat und seine Mannschaft ähnlich eines schlechten Königs für seine persönlichen Anliegen ins Verderben schickt. Hier verbildlicht der Autor die Besessenheit von vielen Staatsführern.
- Als Gegenpol zu Ahab führt Melville Steuermann Starbuck ein. Jener wird als stark gläubiger, wenn auch rational denkender Mann beschrieben, der schließlich als Einziger einen Putsch gegen den racheblinden Anführer plant. Er kann demnach als Freiheitskämpfer und Symbol eines kritischen Volks interpretiert werden.
- Das Schiff selbst ist Melvilles wohl bedeutendste Metapher. Da seine Besatzung inklusive Ismael und Queequeg aus sämtlichen Schichten stammt und aus allen möglichen Ecken der Welt auf die Pequod angereist ist, kann das Walfängerboot als Mikrokosmos für den Makrokosmos der Welt an sich interpretiert werden.
- Da es sich bei dem Schiff um ein Walfangschiff handelt, hat Melville in seinem Mikrokosmos die Grausamkeit der Welt verbildlicht. Das Schiff geht schließlich unter und die Besatzung ertrinkt. Einige Interpretationen gehen davon aus, dass sich hier die Todessehnsucht des Barockzeitalters spiegelt. Das Überleben des Erzählers Ismael wird dabei teilweise als Überleben der Künste gedeutet.
Überlebt hat "Moby Dick" zumindest - und das trotz all der negativen Rezensionen für seine Erstausgabe.
Rezensionen der Moby-Dick-Erstausgabe im Verlag Richard Bentley und Harper and Brothers
Zunächst erschien der Roman im Verlag Richard Bentley in London. Später des Jahres übernahm der Verlag Harper and Bothers den Stoff, um ihn in die USA zu bringen.
- Zuvor hatte Herman Melville sich schriftstellerisch über Südseebiografien bereits einen Namen gemacht. In England erschienen dementsprechend viele Rezensionen zu dem Roman, wobei die meisten von ihnen weder als positive noch als negative Wertungen aufzufassen waren.
- Auf das Erscheinen des Buchs in den USA wiederum folgten entsetzte bis niederschmetternde Rezensionen. Heute vermutet man die stark religiöse Ausrichtung amerikanischer Literatur zur gegebenen Zeit als Grund für die Ablehnung von "Moby Dick". So machte Religionskritik und freie Philosophie eine der wichtigsten Komponenten von Melvilles Roman aus. In der Londoner Ausgabe des Buchs wurden die entsprechenden Passagen stark verkürzt, wenn nicht gestrichen.
- Beide Länder kritisierten an der Erstausgabe die ausschweifende Länge von 900 Seiten. Melville hatte hunderte von Exkursen über Gesellschaft, Glauben und Wissenschaft in die Romanhandlung eingearbeitet, was für die Erzählung einen entsprechenden Umfang zur Folge hatte.
- Zwar bildete die Icherzählung von Matrosen Ismael die Rahmenerzählung des Romans, jene jedoch wird von den Exkursen ständig unterbrochen. Auch die dialektale, erzählperspektivische und stilistische Mischung des Romans wurde von Literaturkritikern im 19. Jahrhundert stark kritisiert.
- Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannte man Melvilles Roman als großes Werk der Weltliteratur an. "Moby Dick" wurde nun als Porträt der Barockgesellschaft ausgedeutet, wobei viele Kritiker Melvilles umfangreiche Exkurse heute als umfassende Stimmungsschilderung und Zeitbeschreibung einer Gesellschaft im Umschwung bezeichnen.
Wie die meisten großen Autoren erlebte Herman Melville die Anerkennung seines Werks nicht mehr. Auch die vielen Verfilmungen des Romans konnte er dementsprechend nicht mehr sehen.
Moby-Dick-Verfilmungen - Klassiker und Moderne
Der Anfang des Films ist zugleich Anfang der Moby-Dick-Verfilmung.
- 1930 setzte Lloyd Bacon Melvilles Erzählung als Schwarz-Weiß-Film um. Durch die zahlreichen Exkurse des Romans schien der Stoff zunächst unverfilmbar, doch Bacon gelang es, zumindest die wirtschaftlichen Hintergründe der Geschichte dialogisch in den Film zu integrieren. John Barrymore porträtierte Kapitän Ahab als einen Mann, der mit jedem Meter der Fahrt ein Stück geistige Gesundheit verliert.
- Schon in den 60er Jahren wurde der Romanstoff ein weiteres Mal inszeniert. Regie übernahm damals John Huston, wobei Drehbuchautor Ray Bradbury sich vor allem auf die vom Hass entstellte Person des Kapitäns und die Auflehnung Starbucks konzentrierte.
- Gelobt wurde an der Verfilmung vor allem die Farbführung. So gab die Bildkomposition mit sepiagefärbten Kulissen die in Moby Dick geschilderte Stimmung auf See mit historischer Schwere und poetischem Ton wieder.
- Gregory Peck übernahm in der Erstverfilmung die Rolle des Ahabs. Obwohl er damals als fähiger Charakterdarsteller bekannt war, wurde die Besetzung kritisiert, da man mit ihm einen Sanftmut verband, der Ahabs Grausamkeit einschränkte.
- 1998 entstand eine Mini-Serie auf Basis von Moby Dick, die als erste Verfilmung dem poetischen Charakter Ismaels gerecht wurde. Die Figuren wurden von der Produktion modifiziert und neuzeitlicher dargestellt, als es bisher der Fall war. Außerdem trat die Verfilmung als erste in direkten Dialog mit ihren Vorgängern. Eine lobenswerte Referenz zu der bekanntesten Umsetzung des Stoffs streute man, indem Gregory Peck in eine Nebenrolle besetzt wurde.
- 2010 schließlich wurde die bisher (Stand: Oktober 2013) letzte Inszenierung des Stoffes veröffentlicht. Trey Stoke verlagerte die Romanhandlung in die Moderne und schickte Ahab auf einem Atom-U-Boot aufs Meer hinaus. Eine derart trashige Umsetzung wurde von Kritikern mittelmäßig aufgenommen.
Zumindest kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei der U-Boot-Inszenierung längst nicht um die letzte handeln wird. Die innere Handlung von Melvilles Stoff ist wie das in ihm realisierte Beziehungskonstrukt zeitlos. Und doch handelt es sich um Material, das seine wahre Kraft bisher nur auf Papier entfalten konnte.
Wie hilfreich finden Sie diesen Artikel?