Einordung des Sturm und Drang (zeitlich, örtlich, persönlich)
- Die Epoche des Sturm und Drang wird zeitlich in die Jahre 1767 bis 1785 eingeordnet. Die Entstehungszeit des zu analysierenden Werkes ist also oft schon ein gutes erstes Indiz für die Einordnung in die Literaturrichtung.
- Auch der Entstehungsort kann Aufschluss geben. Entstand das Stück in Straßburg, Frankfurt am Main oder Göttingen? Auch das Auftauchen dieser Städtenamen ist eines der Merkmale dafür, dass Sie es mit einem Stück aus der Sturm- und Drang-Epoche zu tun haben.
- Steht nun auf der Außenseite des Reclam-Heftchens noch der Name Lenz, Klinger, Wagner, Bürger, Hamann, von Gerstenberg, Schiller oder gar Goethe? Bingo!
- Spätestens jetzt dürfen Sie davon ausgehen, dass Sie ein waschechtes Stück Punkliteratur vor der Nase haben.
- Da diese Argumentation erfahrungsgemäß bei den meisten Lehrern oder Professoren nicht so gut ankommt, sollten Sie sich nun dem Inhalt des Stücks widmen.
Inhaltliche Merkmale der Epoche
- Um hier zu punkten, sollten Sie die wichtigsten Entstehungsfakten der Strömung des Sturm und Drangs kennen.
- In der Zeit um ca. 1750 diente Literatur weniger der Unterhaltung als der moralischen und intellektuellen Bildung. Im Vordergrund stand die „ratio“, die Vernunft - eine der wesentlichen Merkmale der Literaturperiode der Aufklärung, deren Unterströmung der Sturm und Drang darstellt.
- Es war üblich, dass Literaten sich beim Schreiben an bestimmten Regeln orientierten; diese konnte man an Dichterakademien erlernen – Literatur war nun mehr Handwerk als Kunst, im Vordergrund stand die zu verbreitende Botschaft von Moral, Anstand und Vernunft, der Dichter selber war eher Denker und transportierendes Medium als Kunstschaffender.
- Einigen „Freigeistern“ war das enge Korsett der Regelpoetik ein Dorn im Auge. Statt eines erlernbaren Handwerks sahen sie in der Literaturschaffung eine Gabe, mit deren Hilfe individuelles künstlerisches Erleben zum Ausdruck gebracht werden konnte, der Mitteilung von Emotionen an den Leser wurde mehr Bedeutung beigemessen als Vernunftbotschaften – Der Sturm und Drang war geboren und mit ihm erweiterte sich die literarische Landschaft radikal.
- emotio statt ratio - Gefühl statt Verstand: Dieses Muster findet sich in allen wichtigen Werken der Sturm- und Drang-Periode. Die Hauptfigur beugt sich zunächst gesellschaftlichen Konventionen, um dann doch das Herz über den Verstand siegen zu lassen. Unmögliche Liebesgeschichten werden möglich, Autoritäten werden missachtet, Traditionen über Bord geworfen. Wenn Sie also beim Lesen eines Stücks unwillkürlich denken, dass die Sportfreunde Stiller („(Tu nur das) Was Dein Herz Dir sagt“) den Soundtrack hätten liefern können: Sturm und Drang!
- Sprachfreiheit: Gefühlsgeladene, ausdrucksvolle Sprache mit starkem Hang ins Derbe ist bei den „jungen Wilden“ Programm. Nicht selten wird ein Satz auch abgebrochen und spiegelt so die innere Zerrissenheit oder aber auch Unbändigkeit des Sprechenden wieder. Erinnern Sie der Monolog des Helden oder der Dialog zweier Hauptfiguren an einen melancholischen, verliebten und überdrehten jugendlichen Rebellen, so als hätten sämtliche James-Dean-Klischees plötzlich ein Sprachrohr bekommen? Sturm und Drang!
- Original-Genie: Dieser nicht sehr originelle Begriff bezeichnet die schon zuvor erwähnte Ansicht, nicht das Anwenden erlernbarer Regeln, sondern das Genie des Literaten, seine Gefühle und die Umwelt, seine Erfahrungen und sein „Herzblut“ machten seine Werke wertvoll und einzigartig. Wenn Ihnen also in dem Stück eine Person begegnet, die aus sich selbst heraus und ohne große Mühe berückend schön, unglaublich tugendhaft, intelligent oder unwiderstehlich lebensfroh ist: Sturm und Drang!
- Drama, Drama, Drama: Dieses nämlich stellte die Hauptform der Dichtung des Sturm und Drang dar. Wenn das Stück also im Wesentlichen durch Dialoge gekennzeichnet ist, die Konfliktsituation alt/jung, gut/böse, konservativ/modern thematisiert und noch dazu in Akte aufgeteilt ist: Sturm und Drang!
Auswertung der gefundenen Merkmale des Sturm und Drangs
- Geben Sie eine knappe Zusammenfassung des Textes und seiner Kernhandlung wieder.
- Fassen Sie nun Ihre Beobachtungen in einigen wenigen Sätzen zusammen und stellen Sie Ihre Interpretationshypothese auf.
- Gehen Sie im Folgenden unter der Benennung von konkreten Beispielen auf Ihre Beobachtungen ein. Hierbei können Sie sich ganz einfach durch Aufgreifen von Zitaten am Text „entlanghangeln“.
- Schreiben Sie zum Abschluss noch ein kurzes Fazit, aus dem sich ergibt, dass Ihre Hypothese anhand der Textbeispiele bestätigt werden konnte.
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