Welche Rolle Sexualität in einer Liebe spielt
Sex spielt für viele Paare in der Liebe eine große Rolle. Laut einer Umfrage benannten 92,7% der Studienteilnehmer Sex und Zärtlichkeiten als etwas, das Zusammengehörigkeit schafft und ohne das eine Beziehung nicht funktioniert. Über ein Drittel der Befragten war der Meinung, dass eine gute Sexualität andere Bereiche der Liebe positiv beeinflussen kann. Die meisten wünschten sich zweimal wöchentlich Sex.
Mit dem Partner zu schlafen gibt das Gefühl des Begehrt-Werdens. Das gemeinsame Liebesspiel führt dazu, dass sich ein Paar als Einheit empfindet, es fördert das Vertrauen in den anderen und kann Stress abbauen. Der Wunsch, mit dem Partner zu schlafen, ist mit dem Trieb vergleichbar, etwas Leckeres essen zu wollen. Wird der Wunsch nach Sex häufig nicht erfüllt, entstehen Unzufriedenheit und Resignation.
Eingespielte Paare kommen länger ohne Sex aus
Im Laufe einer Partnerschaft durchläuft die Sexualität verschiedene Stadien. Sind Sie verliebt, schüttet Ihr Gehirn beim Anblick des Partners Dopamin aus. Dies macht Lust darauf, den anderen zu küssen und führt zur Erregung. Zusammen mit den Geschlechtshormonen Östrogen und Testosteron resultiert sexuelle Begierde. Sie haben Lust darauf, mit Ihrem Partner zu schlafen.
Diese Begierde flacht nach einiger Zeit ab. Nach drei bis vier Jahren wird das Dopamin deutlich seltener ausgeschüttet. Belege für den Zusammenhang zwischen Dopamin und sexueller Appetenz (Lust) sind Studien, die Patienten mit Parkinson untersuchten. Bei Parkinson entsteht im Gehirn ein Mangel an Dopamin. Infolgedessen resultieren sexuelle Dysfunktionen (Erektionsschwäche bei Männern, Lustlosigkeit bei Frauen).
Warum tritt die Veränderung bei Gesunden auf? Weshalb schüttet das Gehirn bei einer längeren Partnerschaft weniger luststeigerndes Dopamin aus? Ursache ist die Assoziation zwischen der Dopaminausschüttung und Neuheit oder Überraschung. Die Zellen im zentralen Nervensystem geben den Botenstoff dann ab, wenn Sie etwas angenehmes Neues erleben - beispielsweise Verliebtheit - und Sie sich unsicher sind, dann aber positiv überrascht werden.
Zu Beginn einer Beziehung sind Sie sich des Partners nicht sicher, Sie wissen nicht, ob die Beziehung halten wird. Diese Unsicherheit und Aufregung führt zur Erhöhung der Dopaminausschüttung. Bei einer glücklichen langen Partnerschaft stellt sich irgendwann das Gefühl der Sicherheit ein. Sie haben Vertrauen darin, dass der Partner bei Ihnen bleibt und die Unsicherheit geht weg.
Das Gefühl der Verliebtheit ist verschwunden und weicht bei einer intakten Beziehung einer tiefen Vertrautheit. Diese ist mit der Ausschüttung von Serotonin verbunden. Der Botenstoff im Gehirn sorgt dafür, dass Sie sich wohlfühlen und zufrieden sind. Leidenschaft und Lust auf Sex ruft das Serotonin aber nicht hervor. Die Libido sinkt, das Liebesleben flaut ab. Wenn Sie sich weiterhin für den anderen interessieren, deutet weniger Sex sogar darauf hin, dass Sie sich in der Beziehung geborgen fühlen, auch ohne ständige Beweise für die Liebe.
Gehen Sie nach einer Trennung aber eine neue Beziehung ein, beginnt dieser Kreislauf erneut. Sie sind wieder aufgeregt, sind sich des anderen nicht sicher und Ihr Körper schüttet mehr Dopamin aus. Dies gilt analog für Affären.
Es ist also normal, dass in einer intakten Beziehung bei beiden Partnern die Lust auf Sex abnimmt. Die Liebe bleibt bestehen, ist aber weniger "stürmisch", sondern geht in das Gefühl tiefer Vertrautheit und Verbundenheit über.
Wann die mangelnde Lust auf Sex problematisch ist
Während ein Abflauen der Lust in einer längeren, glücklichen Beziehung normal ist, kann es auch andere Ursachen dafür geben, dass die Beziehung ohne Sex bleibt.
- Stress. Wer im Beruf gestresst ist, hat weniger Lust auf Sex. Bei Belastungen schüttet Ihr Körper Stresshormone aus, die das Interesse an Sexualität stark hemmen. Das gilt analog für Konflikte in der Partnerschaft, die ebenso als Stress wirken.
- Unglückliche Liebe. Wer merkt, dass er mit dem Partner nicht zufrieden ist oder dass Sie als Paar nicht zusammenpassen, hat weniger Lust.
- Depression. Wer länger als zwei Wochen am Stück dauerhaft niedergeschlagen und interessenlos ist, kann eine Depression entwickeln. Diese hemmt die Ausschüttung von Dopamin und damit der Lust.
- Traumatische Erfahrungen. Wer Opfer von Missbrauch wurde, verbindet Sex mit Strafe und Scham oder Angst. Dies schränkt die Lust sehr stark ein.
- Neue Verliebtheit. Wenn Sie sich in eine andere Person verlieben, sinkt die Lust auf Sex mit dem bisherigen Partner oder der bisherigen Partnerin.
- Kinder. Frauen spüren einige Zeit nach der Geburt, besonders in der Stillzeit, keine Lust. Der Stress mit der Versorgung des Kindes führt dazu, dass die Liebe temporär ohne Sex bleibt.
- Impotenz. Wenn Männer Probleme mit der Potenz bekommen, die Erektion nicht anhält, entsteht Versagensangst. Sie fürchten, dass es "das nächste Mal" wieder nicht klappt. Die Angst hemmt das Interesse an Sex.
- Hormone und Medikamente. Die Einnahme der Pille kann bei Frauen die Lust schwächen. Ähnliches gilt für hormonelle Medikamente, beispielsweise Hormonhemmer bei Krebserkrankungen, oder der Einnahme von Antidepressiva.
- Asexualität. Wer noch nie Lust auf Sex hat und schon immer ohne Sexualität leben wollte, ist vermutlich asexuell. Dies ist angeboren. Bei Asexuellen sind die Gehirnareale, die Lust erzeugen (lymbisches System) weniger aktiv und die Areale, die Lust hemmen (präfrontaler Kortex) stärker aktiviert. Dadurch empfinden Asexuelle keine Lust auf Sex.
Tipps, damit die Beziehung nicht ohne Sex bleiben muss
Sind Stress oder Konflikte in der Partnerschaft die Ursache dafür, dass Sie ohne Lust leben, gilt es, diese zu beseitigen. Im Beruf helfen ein besseres Zeitmanagement, das Abgeben von Aufgaben oder ein beruflicher Wechsel, Belastungen zu reduzieren.
In der Partnerschaft sollten Konflikte nicht eskalieren. Vermeiden Sie bei Konflikten Beleidigungen und verbale Aggression. Hören Sie sich die Meinung Ihres Partners an, selbst wenn Sie diese nicht teilen. Sprechen Sie in Ich-Botschaften ( "Ich wünsche mir, dass...") statt Du-Botschaften ("Du machst immer..."). Können Sie die Konflikte nicht klären, helfen Ihnen ein Paartherapeut oder die kostenfreie Paarberatung der Diakonie.
Bei Depressionen oder traumatischen Erfahrungen sollten Sie sich an einen Psychiater oder Psychologen wenden. Durch eine Therapie lernen Sie, mit den Depressionen besser umzugehen und die Stimmung positiv zu beeinflussen, beziehungsweise die erlebten Traumata besser zu verarbeiten. Es kann - trotz Therapie - passieren, dass der Sex nicht so wie vorher ist, aber Therapien verbessern die Situation häufig.
Eine Affäre oder das Verlieben in eine andere Person stellen die bisherige Liebe auf eine harte Probe. In diesem Fall sollten Sie eine Beziehungspause machen. So kann jeder feststellen, ob er den anderen vermisst und überlegen, mit wem er das Leben weiter verbringen möchte.
Reduzieren Medikamente oder Hormone die Lust auf Sex, sprechen Sie mit Ihrem Arzt. In vielen Fällen kann ein Medikament gegen ein anderes Präparat ausgetauscht werden. Ihr Arzt ist auch Ansprechpartner bei Erektionsstörungen. Diese können mit Medikamenten oder Hilfsmitteln, beispielsweise durchblutungssteigernde Ringe, gebessert werden.
Asexualität ist nicht veränderbar. Dies ist eine sexuelle Orientierung und kann nicht durch Medikamente oder Therapie "behoben" werden. Wenn Sie sich in einen asexuellen Menschen verliebt haben, gibt es mehrere Möglichkeiten, die Sie miteinander abwägen sollten: Trennung, Verzicht auf Sex, Ausweichen auf für den Asexuellen vorstellbare Alternativen (Petting oder Tantra) oder geduldete Affären.
Ist die Sexualität in der Beziehung eingeschlafen, das heißt, werden die Zeiträume ohne Lust immer größer, kann Abwechslung die Wende bringen. Machen Sie Ihrem Partner wieder mehr Komplimente, gehen Sie aus, verabreden Sie sich zum Sex, probieren Sie Sex-Spielzeug aus, testen Sie neue Stellungen. Eine schöne Abwechslung ist es beispielsweise, gemeinsam wegzufahren oder sich für eine Liebesnacht mit dem Partner im Hotel zu verabreden.
Therapeuten empfehlen, eine Zeit lang jeden Tag Sex zu haben, selbst wenn Sie keine Lust verspüren. Dies kann das Verlangen steigern. Alternativen können Petting oder langes Küssen sein. Je länger Paare zusammen sind, desto seltener küssen sie sich. Längeres Küssen kann die Begierde in der Liebe wieder ohne viel Aufwand steigern.
Wie ist die Liebe ohne Sex möglich?
Hilft dies alles nicht und bleibt die Liebe ohne Sex, muss dies nicht das Ende der Beziehung sein. Viele Paare, die länger zusammen sind, empfinden die Beziehung selbst ohne Sexualität als erfüllend. Entscheidend ist, dass beide Partner damit zufrieden sind. Wenn sowohl Sie als auch Ihr Partner den Sex nicht vermissen und ohne diesen glücklich sind, müssen Sie nichts verändern.
Wer asexuell ist, sucht am besten einen Partner, der diese Veranlagung teilt. Wenn dies für Ihren Partner in Ordnung ist, können sie ebenso eine Außenbeziehung initiieren, also jemanden suchen, mit dem Sie Ihre Sexualität ausleben. Sie müssen sich, wenn Sie sich weiterhin in Liebe verbunden sind, deswegen nicht vom derzeitigen Partner trennen. Es ist jedoch wichtig, dass beide die gefundene Lösung akzeptieren ohne dass jemand darunter leidet. Ansonsten schwindet die Liebe.
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