Viele Kinder zeichnen gern und probieren sich damit aus. Beim Zeichnen durchlaufen die Kleinen verschiedene Entwicklungsstadien und lernen, zunehmend besser zu zeichnen. Auch das, was abgebildet wird, sagt etwas über Ihr Kind oder dessen Erlebnisse aus.
In jedem Alter entstehen andere Kinderbilder
Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget verwendete Zeichentests, um die Entwicklung eines Kindes einzuschätzen. Er konnte feststellen, dass Kinder je nach Altersgruppe Bilder und Gezeichnetes anders darstellen. Sie müssen die Bilder also in Abhängigkeit vom Alter Ihrer Kinder deuten.
- Im Alter von bis zu einem Jahr zeichnen Kinder nicht, sie spielen mit dem Stift. Die Kleinen erkunden ihre Umgebung und nehmen Dinge (auch Stifte) gern in den Mund. Nach dem ersten Lebensjahr entstehen erste Kinderbilder. Ihr Kind zeichnet Zick-Zack-Linien oder kritzelt. Die Zeichnungen bedeuten noch nicht viel.
- Im Alter von zwei bis vier Jahren entstehen Bilder mit Kreisen. Das Kind lernt, runde Formen zu zeichnen. Erste Symbole sind zu sehen. Nach dem vierten Lebensjahr können Kinder Szenen darstellen. Sie zeichnen Schiffe, Autos und Menschen. Die Kinderbilder sind transparent, d.h. Ihre Kinder zeigen das, was in einem Haus oder einem Schiff ist, so, als wären die Wände transparent.
- Im Alter von sieben Jahren werden die Figuren realistischer. Kinder zeichnen keine Kopffüßler (Kopf ohne Körper mit Armen und Beinen) mehr, sondern richtige Menschen. Diese werden frontal oder im Profil dargestellt. Das Kind erkennt räumliche Zusammenhänge und Proportionen. Die Kinder können genau erklären, wie die Bilder zu deuten sind.
Den Kontext beim Deuten der Kinderzeichnungen beachten
Kinder zeichnen gern und nutzen dabei ihre Fantasie, eigene Erlebnisse und Dinge, die sie im Fernsehen gesehen haben. Wenn Sie die Kinderbilder deuten, sollten Sie einige Dinge beachten:
- Ein wichtiger Aspekt ist der Kontext, in dem das Bild entstanden ist. Mädchen und Jungen stellen oft Dinge dar, die sie aktuell beschäftigen. Wenn das Bild etwas Ungewöhnliches oder eine angsteinflößende Szene zeigt, muss dies kein schlechtes Zeichen sein.
- Überlegen Sie, ob Ihr Kind einen Film gesehen haben könnte, der ihm Angst gemacht hat. Erinnert das Dargestellte an einen Zeichentrickfilm oder etwas, was das Kind im Fernsehen anschaut?
- Ein Bild ist immer Ausdruck des momentanen Denkens und Erlebens. Es entsteht spontan, wie ein Foto. Wenn Ihr Kind etwas malt, das Angst widerspiegelt oder Wut zeigt, kann das Ausdruck einer momentanen schlechten Laune sein. Dies muss nicht bedeuten, dass Ihr Kind generell ängstlich oder verärgert ist.
- Das Bild hilft Mädchen und Jungen, die eigenen Gefühle zu verarbeiten, weil sie diese zum Ausdruck gebracht haben. Kurze Zeit später kann die Laune eine ganz andere sein.
- Viele Kinder projizieren sich selbst in das Gemalte hinein. Sie stellen sich selbst dar, etwa als Person, als Tier oder als Gegenstand. Suchen Sie in den Kinderbildern nach der Darstellung des Kindes. Stellt es sich in das Zentrum des Geschehens oder an den Rand des Bildes? Die Position des Kindes im Bild können Sie als Involviertheit deuten.
- D.h. das Kind zeigt damit, ob es sich selbst als Beobachter oder als Außenstehenden wahrnimmt oder als jemanden, der mitten dabei ist. Malt das Kind sich klein, deutet dies darauf hin, dass es glaubt, für die anderen dargestellten Personen nicht wichtig zu sein. Malt es sich groß und mittig, nimmt es seiner Ansicht nach einen wichtigen Platz im Leben ein.
- Dass Kinder gerne Tiere malen, nutzen Psychologen für den Zeichentest "Familie in Tieren". Bei dieser Aufgabe sollen Kinder die Mitglieder ihrer Familie als Tier darstellen und malen. Die gewählten Tiere erlauben Rückschlüsse auf die Meinung Ihres Kindes zu einem Familienmitglied. Die Schlange steht beispielsweise für Hinterlist und der Hund für Treue. Jedes Kind verbindet mit einem Tier andere Verhaltensweisen oder Eigenschaften.
- Schlangen sind für Jungen oft das Lieblingstier. In diesem Fall wird ein besonders geschätztes Familienmitglied als Schlange dargestellt und das Tier steht für etwas Positives. Zeichnet Ihr Kind Tiere, dann fragen Sie nach, warum es dieses Tier gewählt hat.
- Farben sind bei einem Kinderbild schwierig zu deuten. Die Kleinen nutzen bei Kinderzeichnungen oft dunkle Farben, ohne damit etwas Konkretes aussagen zu wollen. Schwarz ist für sie eine Grundfarbe für Konturen und Ränder - wie bei einem Comic. Schwarze Kinderbilder wirken düster, sie stehen aber nicht für Traurigkeit oder Negatives.
- Kommt eine Farbe sehr oft vor? Dies kann die Lieblingsfarbe Ihres Kindes sein. Sind viele Bereiche der Zeichnung Rot, erschrecken Eltern, weil Rot für Erwachsene eine Signalfarbe ist. Für Ihr Kind besitzt die Koloration keine Bedeutung, sie gefällt ihm nur am besten.
Wann die Bilder auf Probleme hindeuten
Eltern versuchen oft, die Kinderbilder zu deuten. Sie wollen anhand der Zeichnungen mehr über die Gefühle und Gedanken erfahren. Die Analyse der Kinderzeichnungen ist dann sinnvoll, wenn Sie mit Ihrem Kind ins Gespräch kommen wollen. Wenn Sie nachfragen, was Ihr Kind malt, fühlt es sich ernst genommen. Mädchen und Jungen freuen sich, wenn Eltern nachfragen, was Bilder bedeuten.
- Nur im Gespräch können die genau herausfinden, was die Kinderbilder zu bedeuten haben. Plagen Ihr Kind Ängste, sind diese nicht unbedingt im Bild sichtbar, aber es wird sich Ihnen auf Nachfrage anvertrauen.
- Sprechen Sie mit Ihrem Kind über dessen Sorgen und darüber, wie Sie seine Bilder deuten. Denken Sie, Ihr Kind erlebt über längere Zeit sehr viel Angst oder ist sehr traurig, dann wenden Sie sich an einen Kinderpsychologen.
- Bedenken Sie, dass einzelne Symbole oder Bildelemente je nach Lebenssituation des Kindes eine andere Bedeutung haben. Ein Haus kann beispielsweise für die gemeinsame Wohnung mit den Eltern stehen, für die Hundehütte im Garten oder ein Gebäude, welches Ihr Kind im Fernsehen sah. Ein Baum kann auf den Lieblingsplatz eines Kindes (an dem ein Baum steht) hindeuten oder den Garten, sowie auf eine große Topfpflanze im Kinderzimmer.
- Tiefergehende Deutungen, etwa dass der Baum für Bodenständigkeit und Sicherheit stehe, konnten sich nicht als wissenschaftlich haltbar erweisen. Interpretieren Sie in einzelne Symbole und Bildbestandteile daher keine tiefgründigen Bedeutungen hinein.
- Zeichnet Ihr Kind für sein Alter ungewöhnlich gut oder sehr einfach strukturiert, kann das jedoch auf Entwicklungsbesonderheiten hindeuten. Kinder bis zu fünf Jahren zeichnen beispielsweise Kopffüßler. Wenn Ihr Kind sieben oder acht Jahre alt ist und immer noch Kopffüßler malt, kann eine verzögerte Entwicklung die Ursache sein.
- Malt Ihr Kind bereits mit vier Jahren sehr realistische Bilder, kann das eine Begabung zeigen. Wenden Sie sich an einen Kinderpsychologen, der einen Fähigkeitstest durchführt.
Die Bilder Ihrer Kinder zeigen also das, womit sie sich aktuell beschäftigen. Verborgene Wünsche oder Ängste sind in den Zeichnungen meist nicht sichtbar. Eine Begabung kann aber durch sehr realistische Abbildungen deutlich werden.
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