Kurzgeschichten zählen zu den literarischen Kurzformen und sind von Gestalt und Komprimierung des Inhalts her durchaus eher mit der Lyrik als bspw. mit Romanen vergleichbar. Mit Absicht sind Anfang und Ende häufig offen gehalten, wohl auch, um die Leser zur subjektiven Auseinandersetzung mit dem Inhalt einzuladen.
Innere Handlung von Kurzgeschichten - der äußere Blickwinkel
Kurzgeschichten spiegeln sowohl durch die Wahl des jeweiligen Fokus als auch des Hintergrunds den inneren Zustand und die Handlungsabsichten des Protagonisten wider. Hier einige Anregungen, welche äußeren Aspekte der Geschichte Sie beachten können, um Hinweise auf die innere Befindlichkeit der Helden zu erhalten.
- Beginn der Geschichte: Wird in die Geschichte ohne Vorrede sozusagen hineingesprungen, betrachten Sie, ob der Protagonist sich innerlich ebenfalls in einer sprungbereiten Situation befindet, in einer Lage, die zunächst einmal völlig offen für Handlungsimpulse ist.
- Das Äußere der Figuren: Untersuchen Sie, inwieweit sich das äußere Erscheinungsbild der Personen mit ihren inneren Absichten ändert.
- Landschaftsschilderungen: Hier bieten sich dem Autor gute stilistische Mittel, um die Seelenlandschaft des Protagonisten zu spiegeln. Untersuchen Sie seine Wortwahl bspw. im Hinblick auf Adjektive und Substantive und vergleichen Sie, falls vorhanden, die Stellen, an denen die Charaktereigenschaften des Helden beschrieben werden. Gibt es Ähnlichkeiten oder Überschneidungen?
- Wetter und Klima: Auch hier finden sich hervorragende Möglichkeiten, z. B. bevorstehende Wetterveränderungen, z.B. ein nahendes Unwetter auf die augenblickliche Situation der handelnden Figuren zu beziehen. Betrachten Sie bspw., ob der Autor im Verlauf der Geschichte solche Klima- oder Wetterveränderungen nutzt, um Entwicklungen in der inneren Befindlichkeit der Personen einzuleiten oder darzustellen.
- Handlungen weiterer Personen: Überlegen Sie, in welchem Zusammenhang das Verhalten der anderen Figuren mit den inneren Absichten des Helden steht. Möglicherweise wird seine innere Befindlichkeit und Entwicklung gar nicht oder nur sparsam vom Autor geschildert, da er diese Aspekte in den Reaktionen der anderen Personen spiegelt. Prüfen Sie, ob das zutrifft.
Innere Handlungen vom Sprachgebrauch ableiten
Ähnlich wie bei Gedichten bestimmt der Gebrauch der Sprache und einzelner Worte sehr stark die Stimmung einer Kurzgeschichte und treibt sowohl die innere als auch äußere Handlung voran. Daher ist es auch für die Interpretation der inneren Handlung besonders wichtig, bspw. Wiederholungen und Veränderungen zu finden und zu untersuchen.
- Sprachrhythmus und -tempo: Untersuchen Sie, ob und wie sich der Rhythmus der Sätze ändert. Dies können Sie ganz gut feststellen, indem Sie die Geschichte laut vorlesen. Ziehen Sie Vergleiche mit dem von Ihnen wahrgenommenen inneren Handlungsrhythmus aller Figuren oder des Protagonisten. Welche Übereinstimmungen oder gar gegenläufige Entwicklungen gibt es?
- Wortwahl: Betrachten Sie, ob sich im Laufe der Kurzgeschichte die Wortwahl des Autoren ändert. Wenn ja, geschieht dies kontinuierlich oder im Wechsel, bspw. abschnittweise? Gibt es Zusammenhänge mit der inneren Absicht, den Gedanken des Protagonisten? Welche - vielleicht sich steigernden - Wiederholungen bei der Wortwahl fallen Ihnen auf?
- Dialog und innerer Monolog: Erkennen Sie Veränderungen im inneren Befinden der Personen, abhängig davon, was sie nach außen oder innerlich zu sich selbst sagen? Welche Handlungen ziehen beide Kommunikationsformen nach sich? Gibt es Übereinstimmungen und Unterschiede zwischen Rede, Gedanken und Tat?
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