Die "Schnupperstunde" - ein erstes Kennenlernen von Schüler und Lehrer
- Der Ausdruck "Schnupperstunde" ist an vielen Musikschulen gebräuchlich. Im Gegensatz zu dem neutraleren Begriff "Probestunde" drückt er genau das aus, um was es in dieser ersten Stunde hauptsächlich geht: um ein erstes Kennenlernen von Schüler und Lehrer, um ein gegenseitiges "Beschnuppern". Wenn die Chemie stimmt, ist dies die beste Basis für einen effektiven Unterricht. Als Lehrer ist es nicht immer selbstverständlich, dass Ihnen Ihre Schüler sympathisch sind. Sie selbst jedoch können in der ersten Stunde nicht nur durch Freundlichkeit, sondern auch durch Offenheit beim Schüler punkten. Gerade kleine Kinder durchschauen eine aufgesetzte Art sofort.
- Nutzen Sie die ersten Minuten der Stunde darum gezielt, um sprichwörtlich einen Draht zum Schüler aufzubauen. Erkundigen Sie sich nach musikalischen Vorkenntnissen. Statt jedoch direkt danach zu fragen und das Kind möglicherweise zu verunsichern, wählen Sie einen Umweg. Zeigen Sie Interesse und fragen Sie, ob das Kind schon mal mit der Querflöte in Kontakt gekommen ist und ob es dieses Instrument aus einem bestimmten Grund lernen will. Manchmal tauen auch scheue Kinder hierbei auf, dadurch dass sie ein bisschen von sich selbst erzählen können. Auch Sie als Lehrer können hierbei, sofern es sich anbietet, auf ihre eigene Motivation eingehen. Möglicherweise gibt es erste Gemeinsamkeiten zwischen Ihnen und Ihrem Schüler. Vielleicht waren Sie zum Beispiel genauso alt wie er, als Sie mit dem Querflötenspiel anfingen.
- Wenn das Kind mit seiner Mutter zusammen kommt - in der Regel ist dies in der ersten Stunde der Fall -, achten Sie darauf, nicht nur mit der Mutter zu sprechen. Auch wenn das Kind zunächst sehr still ist und sich mit dem Reden zurückhält, ignorieren Sie es nicht. Lassen Sie die Mutter auf Ihre Fragen antworten, aber sprechen Sie das Kind immer wieder auch selbst an. Geben Sie ihm das Gefühl, dass es hier die wichtigere Person ist. Stellen Sie einem eher introvertierten Kind jedoch nicht unentwegt Fragen, um es nicht unnötig noch mehr einzuschüchtern.
Der große Moment - die ersten Töne auf dem Querflötenmundstück
- Nach der ersten Kennenlernphase ist der große Moment gekommen. Das Kind kommt - möglicherweise zum ersten Mal - mit einer Querflöte in Kontakt. In der Regel stellt die Musikschule zunächst eine Leihflöte zur Verfügung, damit das Kind erst einmal ausprobieren kann, ob das Instrument ihm gefällt. Erklären Sie zunächst den Aufbau der Querflöte. Sie besteht aus Mundstück, Körperstück und Fußstück. Für sehr kleine Kinder ist das Mundstück manchmal gebogen. In diesem Fall ist die Querflöte etwas kürzer, sodass das Kind seine Arme nicht so weit ausstrecken muss.
- Auch hier gilt: Der erste Eindruck zählt. Statt das Kind sofort losspielen zu lassen, machen Sie den ersten Schritt. Stecken Sie die Flötenteile zusammen und präsentieren Sie, wie eine Querflöte klingt. Wählen Sie hierbei keine virtuose Komposition, sondern ein kleines Lied oder eine bekannte Melodie, die ein Kind anspricht. Wichtiger als der Schwierigkeitsgrad des Stückes ist der Klang der Querflöte und die Prägnanz der Melodie. Auf diese Weise können Sie beim Kind den Ehrgeiz auslösen, eines Tages auch so schön spielen zu wollen.
- Jetzt ist es soweit: Das Kind darf versuchen, auf dem Mundstück einen ersten Ton zu produzieren. Fragen Sie es, ob es schon einmal versucht hat, einen Ton aus einer leeren Glasflasche herauszubekommen. In diesem Fall hat das Kind sogar schon Vorkenntnisse, denn das Anblasen auf der Querflöte funktioniert fast genauso. Legen Sie dem Kind das Mundstück zunächst in die kleine Kuhle am Kinn, ohne dass es selbst etwas tun muss. Lassen Sie es spüren, wie sich das Mundstück direkt an der Haut anfühlt, und wo es liegen muss. Genau richtig ist es, wenn es in der Mitte liegt, so, dass das Mundloch nicht bedeckt ist.
- Die Anweisung, den Unterkiefer leicht nach vorne zu schieben, verstehen manche Kinder nicht sofort. Verwenden Sie lieber die Assoziation des "Schmollmundes", denn die ist allen Kindern geläufig. Gleichzeitig sorgen Sie für eine positive Unterrichtsstimmung - die Vorstellung, dass ein Schmollmund hilfreich sein kann, wird das Kind sicher amüsieren.
- Neben dem Vorschieben des Unterkiefers ist ein leichtes Anspannen der Kinnmuskulatur erforderlich. Man versucht hierbei, die Unterlippe in die Breite zu ziehen - es sieht ein bisschen so aus, als wolle man allein mit der Unterlippe lächeln. Machen Sie es dem Kind vor und lassen Sie es die Bewegung nachmachen. Üben Sie am besten vor einem Spiegel, so kann das Kind sich besser kontrollieren.
- Auf dem Mundstück lässt sich ein hoher und ein tiefer Ton spielen. Zu Anfang ist der tiefere leichter zu produzieren. Halten Sie das Mundstück hierzu mit der einen Hand, und drücken Sie die Handfläche der anderen Hand auf das freie Ende. Nun braucht das Kind nur noch zu versuchen, mit der besprochenen Mundstellung über das Mundstück hinwegzublasen. Hat es den richtigen Ansatz getroffen, erfolgt ein hauchiger, aber klarer tiefer Ton.
- Aller Anfang ist schwer. In den seltensten Fällen gelingt der Ton auf Anhieb. Hier ist viel Geduld erforderlich, und viel eigenes Ausprobieren, bevor genau die richtige Stelle erwischt wird. Ermutigen Sie das Kind in seinen Versuchen und versichern Sie ihm, dass es normal ist, falls es nicht sofort klappt mit dem Ton. Wenn jedoch bei zehn Versuchen nur ein Versuch gelingt, kann man sich darüber freuen. Wenn es auch nur einmal klappt - und das wird es bestimmt -, weiß das Kind, dass es grundsätzlich einen Ton spielen kann. Nun heißt es nur, weiterzuüben und sich nicht beirren zu lassen. Nach und nach werden sich die "richtigen" Töne häufen und nur noch wenige Fehlversuche auftauchen.
- Sobald das Kind die ersten Erfolge merkt, spielen Sie gemeinsam kleine Rhythmen. Lassen Sie es auch hörend lange und kurze Töne unterscheiden und nachspielen, zum Beispiel: lang, kurz, kurz, lang, lang. Wechseln Sie sich auch ab, sodass das Kind auch mal einen Rhythmus erfinden darf, den Sie nachspielen
- Wenn das Kind den tiefen Ton schon recht sicher beherrscht, versuchen Sie es mit dem hohen Ton, ohne zugehaltenes Ende. Hierfür hilft die Vorstellung, eine Kerze auszublasen, die weit weg ist. So wird das Kind etwas schneller und stärker blasen als bei dem tiefen Ton. Im Optimalfall können Sie nun abwechselnd Rhythmen aus hohen und tiefen Tönen spielen.
- Was Kinder besonders amüsiert, ist der Sirenenton, den man mit dem Mundstück erzeugen kann. Hierzu spielen Sie zunächst den hohen Ton, stecken dann langsam einen Finger in das offene Ende und sofort wieder heraus. Der Klang ist einer Feuerwehrsirene ähnlich, die das Kind sofort wiedererkennen wird. Diese Sirene lässt sich nun noch in die Abfolge der Mundstück-Töne einbauen. Erfinden Sie zum Beispiel eine Klanggeschichte, in der mal dieser, mal jener Ton vorkommt.
Pausen machen, Abwechslung schaffen
- Ohne den natürlichen Eifer des Schülers stoppen zu wollen - vergessen Sie nicht, zwischendurch Pausen einzulegen. Wenn man vorher noch nie in eine Flöte geblasen hat, kommt man leicht außer Atem. Manchen Kindern wird von den vielen Versuchen, den richtigen Ansatz zu finden, auch ein wenig schwindelig. Für alle Fälle sollten Sie stets einen Stuhl parat haben, damit sich der Schüler zwischendurch setzen kann. Zwar sollte man generell im Stehen spielen, doch ausnahmsweise geht es auch im Sitzen.
- Noch besser, als dem Schüler einen Stuhl anzubieten, ist es, ihm und seinen Lippen eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Schließlich hat er noch gar nicht ausprobiert, wie es ist, die ganze Flöte in der Hand zu haben. Zeigen Sie ihm zunächst, wie er sie richtig zusammensetzt. Machen Sie es vor, und lassen Sie es ihn anschließend nachmachen. Achten Sie darauf, dass er die Teile durch vorsichtiges Drehen zusammenschiebt, ohne Gewalt anzuwenden.
- Nun legen Sie dem Schüler die Flöte so in die Hände, als würde er darauf spielen. Bringen Sie auch seine Finger in die richtige Position, sodass er die Flöte selbst gut halten kann. Fragen Sie ihn nun, wie sich die Flöte in den Händen anfühlt, ob sie zu lang oder zu unbequem ist zu halten. In diesem Fall kann sich der Schüler für das gebogene Mundstück entscheiden, um seine Arme zu entlasten.
- In der ersten Stunde ist es neben der Instrumentenerkundung auch sinnvoll, sich ein Querflötenheft genauer anzuschauen. Hierzu sollten Sie vorher einige Lehrwerke inspizieren und ein geeignetes auswählen. Den Schüler selbst entscheiden zu lassen, ist zwar gut gemeint, aber nicht ratsam, er wird mit der Entscheidung überfordert sein. Schauen Sie sich das Heft zusammen an und erklären Sie dem Schüler, was ihn in den nächsten Wochen erwarten wird. Ob es erste Übungen auf dem Mundstück sind oder bereits kleine Lieder, grundsätzlich gilt: Was schwarz auf weiß im eigenen Heft steht, ist besser greifbar und eine konkrete Motivation, zu üben.
- Durch gezielt eingesetzte und gut ausgefüllte Pausen zwischen den Tonproduktionsphasen erzielen Sie eine abwechslungsreiche Stunde und ein positives Unterrichtsklima. So wird der Schüler mit einem guten Gefühl nach Hause gehen und beim nächsten Mal gerne wiederkommen.
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