Die Debatte als Schlacht der Perspektiven
- Vielleicht haben Sie einmal die Anwaltsserie "Perry Mason" gesehen oder sonst irgendeinen amerikanischen Gerichtsfilm. In der Regel beginnt der Schlagabtausch mit einem Eröffnungsplädoyer, in dem der eigene Standpunkt klar gemacht und der des "Gegners" als falsch und unbegründet verworfen wird. Ähnlich funktioniert auch die Eröffnungsrede in einer Debatte.
- Beachten Sie, dass Ihr Ziel nicht Ihr Debattengegner ist. Sie wollen Ihre Zuhörer erreichen und sie für Ihre Position einnehmen. Ihr Debattengegner ist hierin Ihr Konkurrent, der für einen entgegengesetzten Standpunkt wirbt. Verinnerlichen Sie dieses Detail, haben Sie bereits einen ganz entscheidenden Vorteil auf Ihrer Seite. Sie wissen, dass Sie nicht Adressat der Auslassungen Ihres Gegners sind, und mögen diese noch so sehr als persönlicher Angriff vorgetragen sein.
- Auch Ihre Debattenbeiträge und erst recht Ihre Eröffnungsrede sollten persönliche Attacken lediglich als Mittel zum Zweck, also strategisch, und nur in Bezug auf die Sache beinhalten. Fügen Sie diese klug in den Aufbau Ihrer Rede ein, so wird diese einen starken Eindruck auf Ihre Zuhörer machen. Dennoch muss die Sache selbst stets im Zentrum Ihrer Rede stehen.
- Der Kulturphilosoph Erich Rothacker drückte das Dilemma, in dem sich Ihre Hörer letztlich befinden, so aus, dass man schließlich nur aus einer Richtung zur gleichen Zeit auf einen Berg steigen könne (Erich Rothacker, Philosophische Anthropologie, Bonn 1954, S. 146). Ihr Ziel muss es also sein, Ihr Hörer dazu zu bringen, den Berg aus der Richtung zu besteigen, aus der Sie ihn besteigen wollen. Definieren Sie daher für sich selbst Ihr Ziel möglichst klar. Fragen Sie sich zunächst, welches Ihr Thema ist, und welche Position Sie dazu vertreten (sollen).
Argumente sammeln für die Eröffnungsrede
- Die nächste Frage, die Sie sich stellen sollten, ist, welche Vernunftgründe für Ihre Position sprechen könnten. Warum ist Ihre Position in der Debatte logisch richtig? Hier sollten Sie alle emotionalen Gründe außen vor lassen. Beobachten Sie Ihre Umwelt oder zumindest das, was Sie bereits sicher wissen und was Sie auch bei Ihren Hörern als bekannt voraussetzen können und schreiben Sie es so auf, dass Sie es gleich mit Ihrer Position verknüpfen. Fragen Sie dabei stets: "Was verbindet dies mit meiner Position?"
- Sind Sie damit ans Ende gelangt, sollten Sie dazu übergehen sich zu fragen, welches Interesse Ihrer Zuhörer dadurch befriedigt werden könnte, dass Sie Ihrer Position folgen. Warum also ist es nützlich, Ihrer Meinung zu sein? Hier können Sie die Brainstorming-Methode anwenden. Nutzen Sie dazu alles, das Sie über Ihre Zuhörer wissen. Je detaillierter dieses Wissen ist, umso besser.
- Als Nächstes geben Sie Ihren Hörern ein gutes Gefühl. Sie haben Sie im vorangegangenen Schritt dazu gebracht, egoistisch zu denken, nur auf ihre Interessen zu schauen. Nun ist es wichtig, ihnen zu zeigen, dass Ihre Sicht auch noch moralisch gut und damit auch aus Sicht einer vermeintlich objektiven Moral richtig ist. Hierbei gilt es mehrere Perspektiven zu beachten: Den Nutzen der Mehrheit (Utilitarismus), die Freiheit (Liberalismus) und die Verantwortung höheren Idealen gegenüber (bspw. religiöse Prinzipien).
- Es gilt also, Ihre Position in der Debatte zur "Eier legenden Wollmilchsau" zu machen, dabei keine leicht verständlichen Widersprüche erkennen zu lassen und vor allen nicht zu lügen. Verknüpfen Sie nun Ihre bisherigen Ergebnisse mit Ihrer Position. Denken Sie dabei daran, dass es darum geht, diese den Zuhörern als logisch, nützlich und moralisch gut zu verkaufen.
Die Dramaturgie Ihrer Eröffnungsrede
- Achten Sie beim Aufbau Ihrer Eröffnungsrede auf die richtige Dramaturgie. Denken Sie an den Bundestag oder an verschiedene TV-Talkshows. In der Regel stehen die Positionen in beiden Fällen von vornherein fest und beide sind nur die Bühnen, auf denen sie aufeinanderprallen. Dementsprechend geht es auch nur bedingt um schlüssige Argumentation, vielmehr um das richtige Verkaufen. Beginnen Sie daher mit dem Teil, der Ihrem Publikum nicht unbedingt im Gedächtnis bleiben muss: Zahlen und Fakten und den Schlussfolgerungen, die Sie ziehen (diese müssen allerdings "griffig" sein).
- Zahlen und Fakten lassen sich nicht ansprechend präsentieren und überzeugen in der Regel nur Menschen, die das notwendige Fachwissen haben, sie zu überprüfen. Bringen Sie daher dieses notwendige Übel hinter sich, bevor Sie das Publikum wirklich ansprechen. Dies tun Sie mit den Fragen nach Nützlichkeit und moralischer Richtigkeit. An beiden Stellen können Sie auf Zahlen und Fakten zurückgreifen.
- Sortieren Sie Ihre Argumente danach, wie sehr sie Ihre Zuhörer emotional mitreißen und wie wenig anfechtbar sie inhaltlich sind. Steigern Sie sich zum Ende hin. Prüfen Sie etwaige Einwände Ihres Gegners gegen Ihre Argumente. Greifen Sie in Ihrer Rede auf diese vor und erwidern Sie, bevor er überhaupt zu Wort kommt. Eine starke Eröffnungsrede ist besonders die, die Ihrem Gegner zuvorkommt.
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