Die Herkunft und Übersetzung von "carpe diem"
Im Jahr 23 v. Chr. schrieb der römische Dichter Horaz (65 v. Chr. – 8 v. Chr.) die Ode "An Leukonoë". In der Schlusszeile des Werkes schreibt er:
"Dum loquimur, fugerit invida aetas: carpe diem, quam minimum credula postero."
Die deutsche Übersetzung davon lautet:
"Noch während wir hier reden, ist uns bereits die missgünstige Zeit entflohen: Genieße den Tag und vertraue möglichst wenig auf den Folgenden!"
"Carpe diem" heißt also "genieße/nutze den Tag" und fordert die Menschen dazu auf, ihre begrenzte Lebenszeit zu genießen. Schließlich weiß niemand, was morgen kommt.
Wörtlich übersetzt bedeutet "carpe diem" eigentlich "pflücke den Tag". "Genieße den Tag" ist aber keinesfalls eine Fehlübersetzung, denn bei dem Pflücken handelt es sich um eine Metapher. Horaz zeichnet damit ein Bild des Pflückens von Früchten und Blumen und somit des rechtzeitigen Genießens und sinnlichen Erlebens der Welt und ihrer Natur.
"Carpe diem" im Alltag umsetzen
Wenn es um die Umsetzung von "carpe diem" geht, findet sich gerade hier in Deutschland ein häufiges Missverständnis durch die mögliche Übersetzung "nutze den Tag".
Denn dadurch wird von vielen dazu aufgerufen, möglichst produktiv zu sein und viel geschafft zu bekommen. Der Tag sei zu kurz, um zu entspannen und man dürfe seine Zeit nicht verschwenden.
Das stellt aber eigentlich das genaue Gegenteil von dem dar, was "carpe diem" eigentlich meint. "Carpe diem" ruft schließlich dazu auf, die kurze Zeit, die wir in unserem Leben haben, dazu zu nutzen, um die Freuden und Früchte dieser Welt zu genießen und eben nicht nur mit Arbeiten zu verbringen.
Wie ist das nun aber in unserer Gesellschaft anwendbar? Schließlich müssen wir alle arbeiten, um unseren Lebensunterhalt zu verdienen.
Auf das Arbeiten zu verzichten, um jeden Tag von morgens bis abends nur zu genießen und Hobbys nachzugehen, ist wohl leider für die allermeisten Menschen keine Option. Dennoch kann "carpe diem" Anwendung in unserem alltäglichen Leben finden.
So könnten Sie etwa Ihre Mittagspause draußen in der Natur oder in einem Park verbringen, um mehr rauszukommen, wenn Sie nicht ohnehin schon an der frischen Luft arbeiten. Nach Feierabend ist es leicht, sich einfach aufs Sofa zu schmeißen und auf den Fernseher oder das Handy zu schauen – verständlich, nach einem langen Tag. Doch vielleicht kann es Ihnen helfen, sich eine Routine zu überlegen, die Ihre Hobbies beinhaltet, sodass Sie neben dem Arbeiten auch Ihre eigenen Interessen verfolgen. So könnten Sie sich etwa vornehmen, jeden Abend mindestens eine Stunde für das Lesen einzuplanen. Oder Sie nehmen sich bewusst Zeit, um mal wieder etwas zu zeichnen oder eine Runde Fahrrad zu fahren.
Wichtig ist natürlich, dass Sie die Sachen, die Sie sich vornehmen, gerne machen – es geht ja, wie gesagt, nicht darum möglichst produktiv zu sein, sondern seine Zeit zu genießen. Und dazu gehören natürlich die eigenen Interessen und Hobbys, die neben einem Vollzeitjob viel zu häufig viel zu kurz kommen. "Carpe diem" kann auch heißen, an freien Tagen oder dem Wochenende einfach mal nichts zu machen, sich zu entspannen und sich dabei nicht schlecht zu fühlen, wenn man nicht produktiv ist. Jeder kann für sich selbst die passende Umsetzung von "carpe diem" finden und versuchen in den Alltag einzubringen.
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